Nun wollen wir singen das Abendlied
Und beten, daß Gott uns behüt!
Es weinen viel Augen wohl jegliche Nacht,
Bis morgens die Sonne erwacht.
Kinderlieder – Album 1
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme
Es wandern viel Sternlein am Himmelsrund,
Wer sagt ihnen Fahrweg und Stund?
Daß Gott uns behüt bis die Nacht vergeht,
Kommt singet das Abendgebet!
Text: aus dem Odenwald 19. Jahrhundert. Evtl. 3. und 4 Strophe von Friedrich Hindelang um 1900.
Melodie: aus dem Odenwald 19. Jahrhundert
Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Tobias Widmaier: Nun wollen wir singen das Abendlied (2013). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/nun_wollen_wir_singen_das_abendlied/
Das erstmals 1924 publizierte Lied unbekannter Urheberschaft „Nun wollen wir singen das Abendlied“ erfuhr in den 1950er und 1960er Jahren eine relativ breite Rezeption. In Liederbüchern begegnet es in unterschiedlichen Textfassungen.
I. Der jugendbewegte Musikpädagoge Fritz Jöde (1887–1970) gab in den 1920er Jahren eine Reihe von Liedsammlungen für unterschiedliche Zielgruppen heraus, die teilweise recht hohe Auflagen erreichten. Jöde berücksichtigte darin insbesondere das vom Wandervogel und in den bündischen Jugendgruppen geschätzte deutsche Volkslied. Das 1. Heft seiner unter dem Titel „Der Musikant“ erschienenen „Lieder für die Schule“ (1924) enthält das zuvor unbelegte „Nun wollen wir singen das Abendlied“ (Edition A), wobei die Herkunftsangabe „Aus dem Odenwald“ suggerierte, es handele sich hier um ein traditionelles, aus mündlicher Überlieferung stammendes Lied. Eher vermutet werden darf, dass „Nun wollen wir singen das Abendlied“ eine Neuschöpfung aus dem jugendbewegten Milieu oder eines Lehrers ist.
II. „Nun wollen wir singen das Abendlied“ ist ein Lied abendlicher Andacht. Dem kollektiven Subjekt des Textes, einer singenden Gemeinschaft, dient das Lied zugleich als Bittgebet, dass „Gott uns behüt“ (Str. 1); seinem Schutz sich anzuvertrauen bewahre vor dem Los so vieler Menschen, die „wohl jegliche Nacht“ weinten (Str. 2). Im Anschluss an den Abdruck in Jödes „Der Musikant“ fand „Nun wollen wir singen das Abendlied“ Aufnahme in Liederbüchern unterschiedlicher, vor allem konfessionell orientierter Jugendbünde. Das ursprünglich nur zweistrophige Lied wurde dabei verschiedentlich erweitert. So enthält das Liederbuch „Jungvolker“ (1932) eine Fassung von „Nun wollen wir singen das Abendlied“ mit zwei ausdrücklich als „neu“ bezeichneten Ergänzungsstrophen, in denen Gott gebeten wird, durch seine Engel „alle zu trösten, die weinen im Land“ (Edition B). In „Der helle Ton“, einem 1935 erschienenen „Liederbuch für die evangelische Jugend“ umfasst das Lied fünf Strophen (Edition C), wobei hier vor allem die dritte von Interesse ist, lässt diese sich doch im Sinne eines versteckten Zeitkommentars verstehen: „Die Sorgen stehn um das Lager her, / die Sorgen, sie lasten so schwer.“
III. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde „Nun wollen wir singen das Abendlied“ in insgesamt nur wenigen Liederbüchern veröffentlicht. Eine relativ breite Rezeption erfuhr das Lied dann nach Ende des Zweiten Weltkrieges, und hier insbesondere wieder im Bereich kirchlich geprägter Jugendarbeit. Das populäre, vom Kölner Kreisverband des Christlichen Vereins Junger Männer (CVJM) herausgegebene Liederbuch „Die Mundorgel“ enthält „Nun wollen wir singen das Abendlied“ in den Auflagen ab 1968 in einer vierstrophigen Fassung (Edition D; Text wie Edition C, jedoch ohne die zitierte „Sorgen“-Strophe). Seit den 1970er Jahren geht die Zahl der Druckbelege zurück. Noch bis in die jüngste Zeit aber ist „Nun wollen wir singen das Abendlied“ auf etlichen Tonträgern primär mit Gute-Nacht-Liedern für Kinder erschienen.
TOBIAS WIDMAIER
(Juli 2013)
Quellenübersicht
- Ungedruckte Quellen: keine Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
- Gedruckte Quellen: sehr häufig in Gebrauchsliederbüchern
- Bild-Quellen: —
- Tondokumente: etliche Tonträger
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.
© Deutsches Volksliedarchiv
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