Zu Bethlehem geboren
Ist uns ein Kindelein.
Das hab ich auserkoren,
Sein eigen will ich sein.
Eia, eia,
Sein eigen will ich sein.
In seine Lieb versenken
Will ich mich ganz hinab;
Mein Herz will ich ihm schenken
Und alles, was ich hab.
Eia, eia,
Und alles, was ich hab.
Weihnachtslieder – Album 2
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme
O Kindelein, von Herzen,
Will ich Dich lieben sehr
In Freuden und in Schmerzen,
Je länger mehr und mehr.
Eia, eia,
Je länger mehr und mehr.
Dazu dein Gnad mir gebe,
Bitt ich aus Herzensgrund,
Daß ich allein dir lebe,
Jetzt und zu aller Stund.
Eia, eia,
Jetzt und zu aller Stund.
Dich, wahren Gott, ich finde
In meinem Fleisch und Blut,
Darum ich dann mich binde
An dich, mein höchstes Gut.
Eia, eia,
An dich, mein höchstes Gut.
Laß mich von Dir nicht scheiden,
Knüpf zu, knüpf zu das Band
Der Liebe zwischen beiden,
Nimm hin mein Herz zum Pfand.
Eia, eia,
Nimm hin mein Herz zum Pfand.
Text:Friedrich Spee 1638 – (1591-1635)
Melodie: die Melodie des frivolen französischen Chansons „Une petite feste“ (1599) wurde 1638 für diesen Text verwendet.
Zuccalmaglio nutzte diese Melodie leicht abgewandelt für sein Gedicht „Die Blümelein, sie schlafen“
Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Tobias Widmaier: Zu Bethlehem geboren (2008). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/zu_bethlehem_geboren/
Das Friedrich Spee zugeschriebene Weihnachtslied „Zu Bethlehem geboren“ ist eine Kontrafaktur eines frivolen französischen Chansons des 16. Jahrhunderts. Seit dem Erstdruck 1637 wurde es in viele Kirchengesangbücher aufgenommen und hat ab dem 19. Jahrhundert als „geistliches Volkslied“ auch darüber hinaus Verbreitung gefunden.
I. Der Text des Weihnachtsliedes „Zu Bethlehem geboren“ findet sich erstmals im „Geistlichen Psälterlein“ (Köln 1637). Mit Melodie erschien es im Anschluss dann im „Geistlichen Psalter“ (Köln 1638), einem katholischen Gesangbuch des Frühbarock, das bis ins 19. Jahrhundert zahlreiche Nachauflagen erlebte (Edition C). Der Verfasser des Liedtextes war bis ins 20. Jahrhundert unbekannt. Die einschlägige Forschung (Gotzen 1949, van Oorschot 2005) vermutet, dass „Zu Bethlehem geboren“ von Friedrich Spee (1591–1635) geschrieben worden ist, was u. a. mit der stilistischen und inhaltlichen Qualität des Liedes begründet wird.
II. Das Thema des Liedes „Zu Bethlehem geboren“ – das in einer Reihe weiterer Lieder aus dieser Epoche steht, in denen das Christkind in der Krippe besungen wird – ist bereits mit dem Titel „Hertzopffer“ markiert (Edition C): Ein den neugeborenen Gottessohn zärtlich liebendes „Ich“ verkündet hier, diesem „kindelein“ sein Herz schenken zu wollen „und alles was ich hab“. Das Bekenntnis zu uneingeschränkter Selbsthingabe in „frewden und in schmertzen“ (Str. 3) sowie einer auf Dauer angelegten Bindung (Str. 4) wird abschließend besiegelt, indem das eigene Herz „zu pfand“ gegeben wird (Str. 6). Rezeptionsgeschichtlich hat „das Angerührtsein von Jesus in der Krippe die Theologie einer Nachfolge auch in Schmerzen“ mehr und mehr überlagert (Martini 2002). Im 20. Jahrhundert findet sich „Zu Bethlehem geboren“ in Gebrauchsliederbüchern meist nur noch in einer auf drei Strophen verkürzten Form (Edition E, Edition F); im katholischen „Gotteslob“ (1975) umfasst das Lied fünf, im „Evangelischen Gesangbuch“ (1993) vier Strophen.
III. „Zu Bethlehem geboren“ gehört zu jenen geistlichen Gesängen, die sich der Melodie geläufiger weltlicher Lieder bedienten, nicht zuletzt um deren „Pestilentzisch Gifft“ (Friedrich Spee) zu entschärfen. In diesem Zusammenhang ist auch der vorliegende Fall bemerkenswert: Hier wurde die Melodie eines frivolen Chansons aus Frankreich übernommen („Une petite feste“), das seinerzeit offenbar recht populär war. Es findet sich sowohl in Pierre Cerveaus 1599 in Paris erschienener Sammlung „Airs mis en musique à quatre parties“ (Edition A) wie in Pierre Bonnets „Airs et vilanelles mises en musique à 4 et 5 parties“ (Paris 1600). Möglicherweise geschah diese Melodieadaption über einen Vermittlungsschritt: Denn auf sie wurde wohl schon vor 1638 ein thematisch eng verwandtes kirchliches Weihnachtslied gesungen („Nun wiegen wir das Kindlein“), das nur singulär – durch eine handschriftliche Orgeltabulatur des westfälischen Vikars Henricus Beginiker (begonnen 1622) – überliefert ist (Edition B). Einige Indizien (wie die in beiden Liedern gebrauchte Floskel „Eia, eia“) scheinen darauf hinzudeuten, dass dem Verfasser von „Zu Bethlehem geboren“ das Weihnachtslied „Nun wiegen wir das Kindlein“ bekannt war. Denkbar ist aufgrund der nur vagen Datierbarkeit des Liedeintrags in Beginikers Tabulatur freilich auch der umgekehrte Weg.
IV. Das in Kirchengesangbüchern tradierte Lied „Zu Bethlehem geboren“ wurde im 19. Jahrhundert zu einem „geistlichen Volkslied“; Aufnahme fand es etwa in die einschlägigen Sammlungen „Geistliche Volkslieder aus alter und neuer Zeit“ von Friedrich Hommel (2. Aufl. Leipzig 1871) und „Unsere Lieder“ von Johann Heinrich Wichern (5. Aufl. Hamburg 1876). In einer zweistimmigen, aus mündlicher Überlieferung aufgezeichneten Fassung wird es in den 1855 erschienenen „Fränkischen Volksliedern“ Franz Wilhelm von Ditfurths mitgeteilt (Edition D). Anton Wilhelm von Zuccalmaglio übernahm die Melodie von „Zu Betlehem geboren“ für das von ihm geschaffene Wiegenlied „Die Blümelein sie schlafen“ (Erstdruck 1840), wobei er die Weise in einigen Passagen geringfügig änderte. In Gesangbüchern des 19. Jahrhunderts findet sich „Zu Bethlehem geboren“ gelegentlich auch mit einer anderen Melodie (s. Bäumker 1911).
V. Im 20. Jahrhundert ist „Zu Bethlehem geboren“ eines der populärsten Weihnachtslieder und weit über den kirchlichen Rahmen hinaus rezipiert worden. Für die vielen unterschiedlichen musikalischen Bearbeitungen seien hier stellvertretend eine für Männerchor – aus dem so genannten „Kaiserliederbuch“ von 1906 (Edition E) – sowie eine zweite als Lautenlied (Edition F) angeführt.
TOBIAS WIDMAIER
Quellenrecherche: JOHANNA ZIEMANN
(November 2008)
Literatur
- Zu Bethlehem geboren. In: Friedrich Spee: „Ausserlesene, Catholische, Geistliche Kirchengesäng“. Ein Arbeitsbuch. Hrsg. von Theo G. M. van Oorschot. Tübingen, Basel 2005 (Friedrich Spee. Sämtliche Schriften. Historisch-kritische Ausgabe, Bd. 4), S. 377–379; zum Lied vgl. verschiedentlich auch Nachwort S. 718–753 (Spees Diktum vom „Pestilentzisch Gifft der Weltlichen Liedlein“ zit. S. 740).
- Britta Martini: Zu Bethlehem geboren. In: Kirchenlied im Kirchenjahr. Fünfzig neue und alte Lieder zu den christlichen Festen. Hrsg. von Ansgar Franz. Tübingen, Basel 2002 (Mainzer Hymnologische Studien 8), S. 99–107 (Zitat S. 101).
- Johanna Schell: Zu Bethlehem geboren. In: Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland hrsg. von Gerhard Hahn u. Jürgen Henkys. Göttingen 2000 (Handbuch zum Evangelischen Gesangbuch 3), S. 65–68.
- Joseph Gotzen: Zu Bethlehem geboren. In: Musica Sacra 69 (1949), S. 258–262.
- Bäumker 1886, Bd. 1, S. 416 (Nr. 169).
- Bäumker 1891, Bd. 3, S. 170 (Nr. 14).
- Bäumker 1911, Bd. 4, S. 440–441 (Nr. 26).
Quellenübersicht
- Ungedruckte Quellen: zahlreiche Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
- Gedruckte Quellen: sehr häufig in Kirchengesangbüchern (v. a. 17. und 20. Jahrhundert), häufig in Gebrauchsliederbüchern (20. Jahrhundert), vereinzelt auf Flugschriften
- Bild-Quellen: gelegentlich auf Liedpostkarten
- Tondokumente: sehr viele Tonträger (über 200)
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Darüber hinaus wurden auch die Bestände des Gesangbucharchivs Mainz sowie (hinsichtlich der Tonträger) des Deutschen Musikarchivs Berlin miteinbezogen.
© Deutsches Volksliedarchiv
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