Der Jäger in dem grünen Wald,
der sucht des Tierleins Aufenthalt.
Und er ging wohl in dem Wald
bald hin, bald her,
ob auch nichts anzutreffen wär.
Mein Hündlein hab ich stets bei mir
in diesem grünen Laubrevier.
Und mein Hündelein, das jagt,
und mein Herz, das lacht,
meine Augen leuchten hell und klar.
Kinderlieder – Album 1
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme
Ich sing mein Lied aus voller Brust,
der Hirsch tut einen Satz vor Lust.
Und der Fink, der pfeift
und der Kuckuck schreit,
und die Hasen kratzen sich am Bart.
Und als ich in den Wald ’nein kam,
traf ich ein schönes Mägdlein an.
Ei, wie kommst du in den Wald hinein,
du strahlenäugig Mägdelein,
ei, wie kommst du in den Wald hinein?
Du sollst nicht länger bleiben hier
in diesem grünen Waldrevier.
Bleibe du bei mir als Jägerin,
du strahlloses* Mägdelein,
bleibe du bei mir als meine Braut!
* = ungestrählt, ungekämmt, zerzaust
*oder: strahlenäugig (statt strahlloses)
Text und Melodie: 18. Jahrhundert
Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Tobias Widmaier: Der Jäger in dem grünen Wald (2013). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/der_jaeger_in_dem_gruenen_wald/
Das Lied „Der Jäger in dem grünen Wald“ erfreute sich im 19. und 20. Jahrhundert großer Beliebtheit. Thema des Liedes ist ein mehrfach besungener Stoff: Ein Jäger begegnet auf der Pirsch einem „Mägdelein“ und macht es zu seiner Braut. Herkunft und Urheber des Liedes sind unbekannt.
I. Der bislang früheste datierbare Beleg von „Der Jäger in dem grünen Wald“ (nur Text) ist in einer 1825 erschienenen Sammlung mit Volksliedern aus dem Münsterland (Westfalen) enthalten (Edition A). In der mündlichen Singpraxis dürfte das Lied aber auch zuvor schon breit verankert gewesen sein: „Fast in ganz Deutschland üblich“ heißt es entsprechend in der von Ludwig Erk und Wilhelm Irmer herausgegebenen Sammlung „Die deutschen Volkslieder mit ihren Singweisen“ (2. Heft, Berlin 1838), in der „Der Jäger in dem grünen Wald“ erstmals auch mit Melodie mitgeteilt wird (Edition B). Im Nachlass des Volksliedforschers Ludwig Erk finden sich 20 Aufzeichnungen von „Der Jäger in dem grünen Wald“ allein aus den Jahren 1838–1845 (Deutsches Volksliedarchiv: E 862–E 881). Die Verbreitung durch Gebrauchsliederbücher beginnt mit Aufnahme in Gottfried Wilhelm Finks „Musikalischem Hausschatz der Deutschen“ (1. Auflage 1843) (Edition C).
II. Urheber, Erstfassung und Entstehungskontext des Liedes „Der Jäger in dem grünen Wald“ sind unbekannt. Bei allen textlichen Unterschieden, die ein Vergleich der ab 1825 aufgezeichneten bzw. veröffentlichten Belege offenbart, ist die besungene Story in ihren Grundzügen stets die gleiche: Ein Jäger begibt sich mit seinem Hund in den Wald und trifft dort eine junge Frau, die ihm so sehr gefällt, dass er ihr einen Antrag macht („Bleib du bei mir als Jägerin“). Darüber hinaus aber bestehen zwischen den Liedbelegen teilweise erhebliche Differenzen. Verschiedentlich enthält das Lied etwa eine Strophe, in der die junge Frau dem Jäger selbstbewusst erklärt, dass sie sich ihn zum Partner erkoren habe: „Um deiner aufzuspüren, / ging ich in diesen grünen Wald. / Ich ging im Wald wohl hin und her, / meine Augen leuchten weit umher, / ob auch nicht ein Jäger anzutreffen wär'“ (Edition B; fast wortgleich auch Edition C). Eine in zahlreichen Varianten belegte Formulierung aus „Der Jäger in dem grünen Wald“ ist ein lehrreiches Beispiel für Veränderungen, denen Liedtexte im Prozess vorwiegend mündlicher Tradierung ganz allgemein unterlagen. Im „Deutschen Liederhort“, der die Ergebnisse der Volksliedforschung des 19. Jahrhunderts zusammenfasst, trägt das Lied „Der Jäger in dem grünen Wald“ die Überschrift „Strahläugig Mägdelein“ (Erk/Böhme 1894). Die Titelgebung greift die Anrede der jungen Frau durch den Jäger in der hier publizierten Textfassung auf („Wie kommst du in den Wald hinein, du strahlenäugig Mägdelein?“). In Erk/Irmers Sammlung „Die deutschen Volkslieder mit ihren Singweisen“ (1838) heißt es dagegen „du Stralauer Mädchen“, eine Anrede, die sich um diese Zeit häufiger findet (Edition B mit Anmerkung). Welche dieser Varianten der ursprünglichen Textfassung entspricht, muss Spekulation bleiben. Bemerkenswert ist, dass daneben auch eine Reihe sonderbarer oder im Zusammenhang unsinniger Textkorruptionen auszumachen ist. Recht häufig spricht der Jäger die junge Frau z. B. als „du strahlloses Mägdelein“ an (Edition D; Versuch einer Worterklärung s. Reisert 1929), in anderen Aufzeichnungen heißt es an dieser Stelle „stralles“, „strafbares“ oder „strafloses“ Mädchen (Belege in handschriftlichen Liederbüchern aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts; DVA: A 90990, A 141385 und A 144365).
III. Bis Ende des 19. Jahrhunderts erschien „Der Jäger in dem grünen Wald“ in einer überschaubaren Zahl von Gebrauchsliederbüchern, eine breitere Rezeption ist hier erst mit der Pflege des Liedes durch die Wandervogel-Bewegung zu beobachten. Die von früheren Fassungen (Edition B, Edition C, Erk/Böhme 1894) abweichende Text- und Melodieversion des „Zupfgeigenhansl“ (1. Auflage 1909) (Edition D) setzte sich dabei in der Folge allgemein durch (mit Ausnahme einzig der auch hier verwendeten Formulierung „du strahlloses Mädchen“). Bis um 1960 blieb das Lied „Der Jäger in dem grünen Wald“ ungebrochen populär (z. B. Edition F). Häufig wurde das Lied auch für Tonträger eingesungen. Überliefert sind zudem verschiedene Parodien (Edition E).
TOBIAS WIDMAIER
(Mai 2013)
Literatur
- Karl Reisert: Das „strahllose“ Mädchen in dem Volksliede „Der Jäger in dem grünen Wald“. In: Ders.: Aus dem Leben und der Geschichte deutscher Lieder. Freiburg i. Br. 1929, S. 60–64.
Editionen und Referenzwerke
- Erk/Böhme 1894, Bd. 3, S. 311f. (Nr. 1450)
Quellenübersicht
- Ungedruckte Quellen: sehr viele Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
- Gedruckte Quellen: vereinzelt auf Flugschriften, überaus häufig in Gebrauchsliederbüchern
- Bild-Quellen: gelegentlich auf Liedpostkarten
- Tondokumente: häufig auf Tonträger
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.
© Deutsches Volksliedarchiv
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