Es, es, es und es

Es, es, es und es, es ist ein harter Schluß,
Weil, weil, weil und weil, weil ich aus Frankfurt muß.
Drum schlag ich Frankfurt aus dem Sinn
Und wende mich, Gott weiß, wohin.
Ich will mein Glück probieren,
Marschieren.

Er, er, er und er, Herr Meister, leb er wohl!
Er, er, er und er, Herr Meister, leb er wohl!
Ich sag’s ihm grad frei in’s Gesicht,
Seine Arbeit, die gefällt mir nicht.
Ich will mein Glück probieren,
Marschieren.

Kinderlieder-CD zum Mitsingen

Kinderlieder – Album 1
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme

Sie, sie, sie und sie, Frau Meistrin leb sie wohl!
Sie, sie, sie und sie, Frau Meistrin leb sie wohl!
Ich sags ihr grad frei ins Gesicht,
Ihr Speck und Kraut, das schmeckt mir nicht.
Ich will mein Glück probieren,
Marschieren.

Ihr, ihr, ihr und ihr, Ihr Jungfern lebet wohl!
Ihr, ihr, ihr und ihr, Ihr Jungfern lebet wohl!
Ich wünsche euch zu guter letzt,
Einen andern, der mein Stell ersetzt.
Ich will mein Glück probieren,
Marschieren.

Ihr, ihr, ihr und ihr, Ihr Brüder lebet wohl!
Ihr, ihr, ihr und ihr, Ihr Brüder lebet wohl!
Hab ich Euch was zu Leid getan,
So bitt ich um Verzeihung an.
Ich will mein Glück probieren,
Marschieren.

Text: Mitte des 18. Jahrhunderts in vielen Textvarianten
Melodie: erstmals 1838 veröffentlicht

Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Tobias Widmaier: Es, es, es und es, es ist ein harter Schluss (2009). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/es_es_es_und_es_es_ist_ein_harter_schluss/

Das in einer Fülle von Textvarianten und mit unterschiedlichen Incipits nachweisbare Abschiedslied „Es, es, es und es, es ist ein harter Schluss“ war offenbar schon Mitte des 18. Jahrhunderts bekannt. Es fand um 1800 durch Flugschriften Verbreitung, wurde zunächst primär von Handwerksburschen gesungen und war im 19. Jahrhundert recht populär. Im frühen 20. Jahrhundert ist es von der Jugendbewegung als Wanderlied rezipiert und seither in unzählige Gebrauchsliederbücher aufgenommen worden.

I. Eine erste Textfassung von „Es, es, es und es, es ist ein harter Schluss“ ist in einer Reihe von undatierten Flugschriften belegt, die aus der Zeit um 1800 bzw. den ersten Dekaden des 19. Jahrhunderts stammen. In dem dort „Handwerkspurschen-Lied“ oder „Reiselied für Handwerksgesellen“ überschriebenen Lied nimmt ein Wanderbursche Abschied von der Stadt, in der er bislang arbeitete, von seinen Mitgesellen und den „Jungfern“, mit denen er in Kontakt stand, um andernorts sein „Glück [zu] probieren“. Mit dem Bild von einer Schifffahrt im Sturm bringt die letzte Strophe das Gefühl der Unsicherheit auf den Punkt, das den Liedprotagonisten bei seinem Aufbruch befällt (Edition A). Die erste Strophe nennt jeweils Ausgangs- und Zielort der Wanderschaft, wobei die Städtenamen variierten. In der Singpraxis der Handwerksburschen sind sie den jeweiligen Gegebenheiten angepasst worden (vgl. C. Weiss 1863). In Flugschriften des genannten Zeitraums ist der Liedtext noch in einer zweiten, deutlich abweichenden Fassung nachweisbar. Nach eng verwandtem Beginn wird hier von der dritten Strophe an das Motiv der Wanderung als sturmbedrohte Seefahrt breiter ausgemalt (Edition B). Alter und Herkunft dieses durch Flugschriften in unterschiedlichen Versionen verbreiteten Handwerkerliedes sind unbekannt. Die bislang früheste Liedspur findet sich in einem handschriftlichen Büchlein, das ein gewisser Johann Jacob Hebel 1753 anlegte. Das darin enthaltene Verzeichnis von Liedern, die dem Schreiber bekannt waren, führt u.a. den Incipit „ach ach ach all zu strenger [Schluß]“ auf, der an Stelle von „Es, es, es und es, es ist ein harter Schluß“ für das hier in Rede stehende Lied anfänglich häufiger zu belegen ist (Edition B).

II. Die Melodie von „Es, es, es und es, es ist ein harter Schluss“ ist erstmals 1838 in Ludwig Erks „Die deutschen Volkslieder mit ihren Singweisen“ veröffentlicht worden (Edition D); auf sie sang man das Lied vermutlich auch zuvor schon allgemein (Edition C). Erk gab an, das „Abschiedslied eines Handwerksburschen“ sei in der von ihm mitgeteilten Form in der Gegend von Frankfurt a. M. aus mündlicher Überlieferung aufgezeichnet worden. Dieser regionale Bezug geht auch aus der ersten Strophe hervor, die Frankfurt als Ort des Gesellenabschieds nennt (Edition D). Über mehrere Vermittlungsstufen (vor allem Erk/Böhme 1894) ist diese lokale Variante der Eingangsstrophe zur dominanten Fassung bis in die Gegenwart geworden (Edition L). Die genannte sowie weitere Aufzeichnungen des Liedes aus den 1830er und 1840er Jahren (Edition C, Edition E) zeigen, dass die metaphorischen Textpassagen der Flugschriftendrucke (z. B. Edition A, Str. 8) in der mündlichen Singpraxis seinerzeit keine Resonanz fanden; stattdessen wurde das Liedpersonal aufgestockt, dem das lyrische Ich Lebewohl sagt (Meister, Meisterin, Herbergswirt), wobei der Handwerksbursche die Behandlung auch durch letztere als Ursache dafür nennt, nun anderswo Arbeit zu suchen: das Essen der Meisterin sei schlecht, ja ungenießbar gewesen (Edition E, Str. 3: „Manchmal fraßen es die Schweine nicht“) und der „Herr Vater“ habe die Rechnungen manipuliert (Edition C, Str. 4).

III. „Es, es, es und es, es ist ein harter Schluss“ dürfte sich mit der um 1840 einsetzenden Aufnahme in gedruckte „Volkslied“-Publikationen (Edition D, Edition E) aus dem engeren Handwerkermilieu gelöst haben. Ablesen lässt sich die nun breitere Rezeption des Liedes auch an einer ganzen Reihe textlicher Anverwandlungen. Überliefert sind Umformungen zum Abschiedslied von Auswanderern, Soldaten oder Hochzeitsgästen. Heinrich August Hoffmann von Fallersleben, der das Wanderburschenlied in seine 1842 erschienene Sammlung „Schlesische Volkslieder“ aufnahm (Edition E), schrieb es wenig später zu einem zeitkritischen Lied mit dem Titel „Ade, Deutschland!“ um (Edition F), das er einem fiktiven, nach Texas ausgewanderten Handwerksburschen in den Mund legte („Er, er, er und er, / Herr König, leb‘ Er wohl! / Ich brauch‘ ihn weiter nicht forthin, / Weil ich nun selbst ein König bin“). Aber auch reale Auswanderer haben das Lied in ihrem Sinne verändert, wie ein zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgezeichnetes Beispiel aus dem Elsass zeigt (Edition J). Parodiert wurde das Handwerksburschenlied ebenso von Soldaten: In Oskar Schades „Volkslieder aus Thüringen“ (1855) findet sich eine entsprechende Aufzeichnung aus Weimar (Edition G), die Unmut über die Bedingungen am Stationierungsort offenbart („Raus, raus, raus und raus, / Aus Weimar muß ich raus. / In dem verdammten Lumpennest / Da kömmt man nicht aus dem Arrest“). Einen ganz anderen Charakter hat das im Ersten Weltkrieg kreierte Lied „In Rußland“ (Edition K), das als Ziel des Feldzugs nach Osten zwar die Entmachtung des Zaren und der Großfürsten erklärte, zugleich aber die lockenden Herrlichkeiten im Siegesfalle ausmalte („Dort essen wir das ganze Jahr / Wie Fürsten, bloß noch Kaviar / Und kleiden uns ganz nobel / In Zobel“). Eine weitere Adaptionsform des Liedes ist im Hochzeitsbrauchtum unterschiedlicher Regionen belegt. So wurde bei Bauernhochzeiten im Luxemburgischen Ösling um 1860 eine Umdichtung von „Es, es, es und es“ im Rahmen der rührseligen Abschiedsrituale von den scheidenden Gästen gesungen (Edition H).

IV. Das ursprüngliche Handwerksburschenlied wurde von den 1840er Jahren an als typisch deutsches „Volkslied“ in viele einschlägige Sammlungen aufgenommen. H. W. Dulcken übersetzte es für sein „Book of German Songs“ (1856) ins Englische (Edition I). Die Jugendbewegung erkor es im frühen 20. Jahrhundert zu einem ihrer beliebtesten Wanderlieder. Während des Dritten Reichs eher selten publiziert, erreichte „Es, es, es und es“ nach 1945 seinen Rezeptionshöhepunkt. Die bis in die Gegenwart anhaltenden Bekanntheit dürfte durch die Aufnahme in Wolfgang Steinitz‘ „Volkslieder demokratischen Charakters“ (1954) mit bedingt sein. Im Anschluss daran wurde es vielfach (zumal im Rahmen des deutschen Folkrevivals) als ein historisches Handwerkerlied verstanden, mit dem man gewissermaßen „Abschied von der Ausbeutung“ nimmt (Edition L).

TOBIAS WIDMAIER
Quellenrecherche: JOHANNA ZIEMANN
(Juni 2009)

Editionen und Referenzwerke

Weiterführende Literatur

  • C[hristoph] Weiss: Aus dem Volksleben. Autobiographie. Nürnberg 1863 (Liedtext S. 122f. In der ersten Strophe hier die Verse „Ich schlag mir Meißen aus dem Sinn / Und wende nach Berlin mich hin“; der Drechslergeselle Weiss sang das Lied 1833 in der mitgeteilten Form mit seinen Mitgesellen bei seinem Abschied und Wegmarsch aus Meißen).
  • Johann Jacob Hebel: Heft mit handschriftlichen Aufzeichnungen (Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Sign.: H 81; Eintrag auf dem Vorstoß: „angefangen hierein zu schreiben / In valenciennes den 1ten may / 1753“). Darin S. 57f. unter der Überschrift „lieder“ ein Verzeichnis von über hundert Liedern nach den Anfangsworten (Abschrift im DVA: F 1976).

Quellenübersicht

  • Ungedruckte Quellen: etliche Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: überaus häufig in Gebrauchsliederbüchern, häufig auf Flugschriften, etliche sonstige Rezeptionsbelege
  • Bild-Quellen: —
  • Tondokumente: viele Tonträger

Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Berlin) miteinbezogen.

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