Alle Vögel sind schon da

Alle Vögel sind schon da,
alle Vögel, alle!
Welch ein Singen, Musiziern,
Pfeifen, Zwitschern, Tiriliern!
Frühling will nun einmarschiern,
Kommt mit Sang und Schalle.

Wie sie alle lustig sind,
Flink und froh sich regen!
Amsel, Drossel, Fink und Star
Und die ganze Vogelschar
Wünschen dir ein frohes Jahr,
Lauter Heil und Segen.

Kinderlieder-CD zum Mitsingen

Kinderlieder – Album 1
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme

Was sie uns verkünden nun
Nehmen wir zu Herzen:
Wir auch wollen lustig sein,
Lustig wie die Vögelein,
Hier und dort, Feld aus, Feld ein,
Singen, springen, scherzen.

Text: Hoffmann von Fallersleben 1835 – (1798-1874)
Melodie: die heute gebräuchliche Melodie erschien 1844 nach der Weise „Nun so reis ich fort von hier“, die im späten 18. Jahrhundert entstanden sein dürfte. In manchen Liederbüchern steht, daß sich die Weise bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen ließe, doch das scheint nicht belegt zu sein.

Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Waltraud Linder-Beroud: Alle Vögel sind schon da (2009). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. http://www.liederlexikon.de/lieder/alle_voegel_sind_schon_da/

„Alle Vögel sind schon da“ ist ein weitverbreitetes Frühlingslied, das bis in die Gegenwart in kaum einem Kinder- und Schulliederbuch fehlt. Der Text stammt von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798–1874), die Melodie ist eine Volksweise anonymer Herkunft.

I. In drei Strophen entfaltet das Lied ein Naturbild und legt dieses aus: Zunächst stellt der Dichter verschiedene Vogelarten als Frühlingsboten vor und beschreibt deren Gezwitscher mit mannigfachen Ausdrücken. In der zweiten Strophe wird der Frohsinn der „Vogelschar“ herausgestellt, die den Liedsängern ein „frohes Jahr“ sowie „Heil und Segen“ wünschen. Schließlich deutet die dritte Strophe das Naturbild moralisch aus: Es wird zum Gleichnis; die Kinder sollen wie die Vögel fröhlich sein. Ideengeschichtlich greift das Lied offenkundig auf christliche Vorstellungen zurück, insbesondere auf die Bergpredigt („Sehet die Vögel unter dem Himmel“, Mt 6,26). Zumindest die theologisch aufgeladenen Begriffe „Heil“, „Segen“ und das Verbum „verkünden“ deuten auf einen solchen Zusammenhang hin.

II. Hoffmann von Fallersleben, der Dichter der deutschen Nationalhymne, hat das Lied 1835 während seiner Lehrtätigkeit in Schlesien verfasst. Zwei Jahre später wird es als „Frühlingslied“ in seinen „Gedichten“ (Breslau 1837) abgedruckt. Dort steht es in der Abteilung „Kinderlieder d. h. Lieder für das junge Deutschland von drei, vier und fünf Jahren“, die Jahreszeitenlieder enthält (Edition A). Wenig später, in der 1843 in Leipzig erschienenen Ausgabe der „Gedichte“, wurde die Altersangabe geändert: nämlich für Kinder „von fünf, sechs und sieben Jahren“.

III. In Noten gesetzt hat das Kinderlied zuerst der Breslauer Musiklehrer Ernst Richter, den eine langjährige Zusammenarbeit mit Hoffmann von Fallersleben verband. Veröffentlicht wurde diese Weise – ebenfalls 1837 – in einer Liedersammlung Richters für Volksschulen (Edition B). Wenig später erschien das Lied auch mit der heute noch geläufigen Melodie: 1844 im Liederbuch des Rauhen Hauses zu Hamburg, einer von Johann Hinrich Wichern gegründeten Bleibe für obdachlose Kinder (Edition C). Diese Weise geht zurück auf das damals verbreitete Abschiedslied „Nun so reis ich fort von hier“, die im späten 18. Jahrhundert entstanden sein dürfte. 1847 erscheint das Lied mit Klavierbegleitung von Marie Nathusius (1817–1857) in Hoffmanns „Vierzig Kinderliedern“ (Edition D). Wie bei vielen seiner Kinderlieder (etwa „Winter ade!“, „Summ, summ, summ“, „Kuckuck, Kuckuck, ruft’s aus dem Wald„, „Ein Männlein steht im Walde„) hatte Hoffmann auch bei diesem Lied ein gutes Gespür für besonders geeignete und bereits populäre Melodien: der Text „Alle Vögel sind schon da“ ist mit dieser Weise vergleichsweise rasch eine untrennbare Symbiose eingegangen, die ihrerseits zahlreiche Kontrafakturen hervorgebracht hat. Musikalisch bemerkenswert ist, wie der Komponist Julius Spengel (1853–1936) die Melodie zu einem Kanon umformte (Edition E).

IV. Die starke Verbreitung des Liedes spiegelt sich neben unzähligen Abdrucken in Liederbüchern auch in vielfältigen Parodien und literarischen Persiflagen. Eine Parodie aus dem Soldatenmilieu findet sich beispielsweise im Liederbuch „Der Kamerad“ aus dem Jahr 1926. Hier werden Liedincipit und Melodie dazu genutzt, das Rekrutenleben humoristisch zu beschreiben (Edition F). Bösartige Konnotationen verbinden sich seit der Zeit des NS-Staates mit diesem Lied: in den Konzentrationslagern wurde es verschiedentlich verwendet, um Häftlinge in zynischer Weise zu demütigen, etwa wenn das Lied bei der Einlieferung ins KZ gesungen werden musste. Aber auch antifaschistische Umdichtungen haben sich erhalten („Alle Nazis sind schon da“). Die Geschichte von „Alle Vögel sind schon da“ wird auch von zahlreichen Illustrationen in Kinderliederbüchern und auf Liedpostkarten begleitet (Abb. 1). Noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählte es zu den beliebtesten traditionellen Liedern und hat seinen Weg sogar bis nach Japan gefunden (Abb. 2).

WALTRAUD LINDER-BEROUD
(Februar 2006 / Juli 2009)

Editionen und Referenzwerke

Quellenübersicht

  • Ungedruckte Quellen: vergleichsweise wenige Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: vereinzelt auf Flugschriften, sehr häufig in Gebrauchsliederbüchern, etliche sonstige Rezeptionsbelege
  • Bild-Quellen: öfters auf Liedpostkarten, zahlreiche Illustrationen in Kinderliederbüchern
  • Tondokumente: sehr viele Tonträger (über 150)

Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Berlin) miteinbezogen.

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