Als wir jüngst in Regensburg waren

Als wir jüngst in Regensburg waren,
Sind wir über den Strudel gefahren;
Da war´n viele Holden,
Die mitfahren wollten.
Schwäbische, bayrische Dirndel, juchheirassa,
Muß der Schiffmann fahren.

Und ein Mädel von zwölf Jahren
Ist mit über den Strudel gefahren.
Weil sie noch nicht lieben kunnt‘,
Fuhr sie sicher über Strudels Grund.
Schwäbische, bayrische Dirndel, juchheirassa,
Muß der Schiffmann fahren.

Kinderlieder-CD zum Mitsingen

Kinderlieder – Album 1
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme

Und vom hohen Bergesschlosse
Kam auf stolzem, schwarzem Rosse
Adlig Fräulein Kunigund,
wollt‘ mitfahren über Strudels Grund.
Schwäbische, bayrische Dirndel, juchheirassa,
Muß der Schiffmann fahren.

„Schiffsmann, lieber Schiffsmann mein,
Sollt’s denn so gefährlich sein?
Schiffsmann sag mir’s ehrlich,
Ist’s denn so gefährlich?“
Schwäbische, bayrische Dirndel, juchheirassa,
Muß der Schiffmann fahren.

„Wem der Myrtenkranz geblieben,
Landet froh und sicher drüben,
Wer ihn hat verloren,
Ist dem Tod erkoren.“
Schwäbische, bayrische Dirndel, juchheirassa,
Muß der Schiffmann fahren.

Als sie auf die Mitt‘ gekommen,
Kam ein großer Nix geschwommen,
Nahm das Fräulein Kunigund,
fuhr mit ihr in des Strudels Grund.
Schwäbische, bayrische Dirndel, juchheirassa,
Muß der Schiffmann fahren.

(Diese Strophen stehen in den verschiedenen Liederbüchern in unterschiedlicher Reihenfolge.)

Text und Melodie: Bayern, Mitte 18. Jahrhundert

Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Tobias Widmaier: Als wir jüngst in Regensburg waren (2013). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/als_wir_juengst_in_regensburg_waren/

„Als wir jüngst in Regensburg waren“ wurzelt in einem vermutlich um 1750 in Österreich entstandenen Scherzlied über einen kollektiven Jungferntest, dem eine Gruppe per Schiff Donau abwärts reisender Frauen unfreiwillig unterzogen wird. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war der Liedtext starken Änderungen unterworfen. Die Verortung des besungenen Geschehens in Regensburg ist erstmals 1843 belegt. In dieser Fassung fand das Lied weite Verbreitung.

I. Das seit Mitte des 19. Jahrhunderts durch zahlreiche Gebrauchsliederbücher verbreitete und bis in die Gegenwart populäre Lied „Als wir jüngst in Regensburg waren“ entwickelte sich aus einem Scherzlied unbekannter Urheberschaft, das vermutlich um 1750 in Österreich entstanden ist (s. dazu ausführlich Uhlendahl 1924). Die ursprüngliche Liedfassung ist durch eine um 1780 erschienene Flugschrift überliefert (Edition A) und in Varianten noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts belegt. Das Lied besingt einen groben Scherz, den sich ein Schiffsmann mit einer Ladung schwäbischer und bayerischer „Dirn“ erlaubt, die er von Ulm über Passau und Linz kommend weiter Donau abwärts transportiert (Str. 2). Auf die Frage, ob ein nahender Strudel im Fluss gefahrlos passiert werden könne (Str. 3), flunkert der Schiffer seinen leichtgläubigen, ausschließlich weiblichen Passagieren vor, dass nur, wer noch Jungfrau sei, sicher hinüberkomme: Die anderen sollten das Boot verlassen und hinter dem Strudel wieder zusteigen, „sonst möchte uns ein Unglück geschehen“ (Str. 4). Bis auf ein „Madl bey neun Jahren“ wählen allesamt („drey hundert Menscher“) den Landweg, nicht ohne „ein groß Geschrey“ (Str. 5), denn sie merken natürlich rasch, dass sie vom Schiffsmann zum Besten gehalten („vexiert“) wurden.

II. Das Scherzlied hat einen konkreten historischen Hintergrund: Nach der Vertreibung der Türken aus Ungarn Ende des 17. Jahrhunderts wurden in den entvölkerten Gebieten etwa des Banat im Lauf des 18. Jahrhunderts Kolonisten vornehmlich aus Süddeutschland angesiedelt. Das wichtigste Transportmittel dieser Auswanderer waren Donauschiffe, die meist in Ulm starteten (s. Fata 2009, Hauke 2012) und gegebenenfalls unterwegs weitere Fahrgäste aufnahmen (z. B. in Regensburg; s. Edition A, Str. 2). Um ein solches Boot mit Kolonistinnen aus Schwaben und Bayern handelt es sich ganz offenbar, das der schlitzohrige Schiffsmann des Liedes Donau abwärts lenkt. Darüber hinaus lässt sich der von den jungen Frauen gefürchtete Donaustrudel eindeutig lokalisieren: Er lag unterhalb des österreichischen Ortes Grein (s. Uhlendahl 1924, Kap. V), verursacht durch eine Reihe von Felsblöcken im Flussbett, die man Ende des 18. Jahrhunderts zu beseitigen begann. Eine österreichische Herkunft des Scherzliedes legt die Position des darin auftretenden Ich-Erzählers nahe (Edition A, Str. 1 u. 2).

III. Die ursprüngliche Fassung des Donaustrudel-Liedes ist auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in unterschiedlichen Varianten belegt. Die Textabweichungen sind einerseits auf die primär orale Tradierung des Liedes zurückzuführen, anderseits wohl dem Umstand zuzuschreiben, dass sich das Wissen um die realen Textbezüge verlor. Die vermutlich früheste publizierte Aufzeichnung des Vorläuferliedes von „Als wir jüngst in Regensburg waren“ aus der mündlichen Singpraxis findet sich in einem 1826 erschienenen Reisebericht aus Wien (Edition B). Eine Melodie, nach der das Lied gesungen wurde, ist erstmals in der 1840 von Anton Wilhelm von Zuccalmaglio herausgegeben Sammlung „Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Weisen“ dokumentiert (Edition D). Auch hier findet sich im Übrigen die Angabe, das Lied stamme aus Österreich; freilich wurde es auch in Deutschland rezipiert (s. Traut 1996: Textedition nach einer im späten 18. bzw. frühen 19. Jahrhundert angelegten handschriftlichen Liedersammlung aus Thüringen).

IV. Die Transformation des ursprünglichen in das heute bekannte Donaustrudel-Lied erfolgte in mehreren Schritten. Zunächst wurde ihm die Melodie des späteren Liedes „Als wir jüngst in Regensburg waren“ zugewiesen (zur Herkunft der Weise s. Anmerkung zu Edition C), was eine Textbearbeitung notwendig machte (u. a. Reduzierung der Verszahl von acht auf sechs je Strophe). Diese Neufassung erschien 1833 in dem von Franz Kugler und Robert Reinick herausgegebenen „Liederbuch für deutsche Künstler“ (Edition C); sie bildete wiederum die Grundlage einer fundamentalen inhaltlichen Veränderung des Liedes. Der erste entsprechende Beleg findet sich unter dem Material, das August Heinrich Hoffmann von Fallersleben für seine 1842 veröffentlichte Sammlung „Schlesische Volkslieder“ zusammentrug (Edition E). Das Lied fand darin allerdings keine Aufnahme. Erstmals erschienen ist es 1843 in Gustav Brauns „Liederbuch für Studenten“ (Edition F).

V. Das umgeformte Donaustrudel-Lied „Als wir jüngst in Regensburg waren“ weist Züge einer Sagenballade auf, wie man sie in der Epoche der literarischen Romantik vielfach schuf (z. B. Der Jäger längs dem Weiher ging). Entstanden ist es vermutlich im studentischen Milieu; der Urheber ist nicht überliefert. Wesentliches Thema auch dieses Liedes ist die Enttarnung verlorener Unschuld. Die neu eingeführte Hauptfigur, „Fräulein Kunigund“, reitet von ihrem „Ahnenschlosse“ zur Donau und fragt den Schiffsmann, der sie an Bord nimmt, ob es gefährlich sei, „über Strudels Grund“ zu fahren (Edition F, Str. 2 u. 3). Er antwortet ihr, dass sicher nur hinüber komme, „wer sein Kränzlein thät bewahren“ (d. h. noch Jungfrau sei); den anderen drohe der Tod (Str. 4). Als sich das Schiff mitten über dem Strudel befindet, wird „das Fräulein Kunigund“ von einem „Nixlein“ in die Tiefe gezogen (Str. 5). Wie in der Vorlage kann den Flussabschnitt dagegen ohne Gefahr passieren, wer noch keinen sexuellen Verkehr hatte: „Und ein Mägdlein von zwölf Jahren / ist mit über den Strudel gefahren; – / weil sie noch nicht lieben kunnt‘, / fuhr sie über Strudels Grund“ (Str. 6; variante Fassung s. Anmerkung zu Edition F). Das besungene Geschehen wird seit der Erstpublikation des Liedes 1843 in Regensburg verortet; die erwähnte, durch Hoffmann von Fallersleben überlieferte Aufzeichnung aus dem Jahr 1840 (Edition E) steht dem Ursprungslied diesbezüglich noch deutlich näher („Als wir jüngst von Regensburg kamen, / sind wir über den Strudel gefahren“).

VI. Von Mitte der 1840er Jahre an findet sich „Als wir jüngst in Regensburg waren“ zunehmend häufig in Gebrauchsliederbüchern. Populär war das Lied zunächst offenbar vor allem unter Studenten; im „Allgemeinen Deutschen Kommersbuch“ ist es ab der 1. Auflage (1858) enthalten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging „Als wir jüngst in Regensburg waren“ ins Repertoire der Jugend- und Wandervogelbewegung ein (Edition G). Bis in die jüngste Zeit wurde das Lied breit rezipiert. In Regensburg eignete man sich das Donaustrudel-Lied als Ausdruck lokaler Identität an.

TOBIAS WIDMAIER
Quellenrecherche: ANNETTE KRÄTER
(September 2012/Juli 2013)

Literatur

  • Heinrich Uhlendahl: Als wir jüngst in Regensburg waren. Eine literarhistorische Skizze. Berlin 1924.

Editionen und Referenzwerke

  • Horst Traut: Die Liedersammlung des Johann Georg Steiner aus Sonneberg in der Überlieferung durch August Schleicher. Wissenschaftlich-populäre Ausgabe der im Stadtarchiv Sonneberg/Thür. als „Steinersche Liedersammlung“ aufbewahrten Exzerpte August Schleichers zur Liederhandschrift des Sonneberger Malers Johann Georg Steiner (1746–1830). Rudolstadt 1996, S. 107f. (Nr. 42) u. S. 131.
  • Hoffmann/Prahl 1900, S. 14f. (Nr. 54).
  • Erk/Böhme 1893, Bd. 1, S. 459f. (Nr. 136a u. 136b).
  • Friedlaender, Commersbuch 1892, S. 10f. (Nr. 9) u. S. 149.

Weiterführende Literatur

  • Marie-Kristin Hauke: Aufbruch von Ulm die Donau entlang. Ulm und die Auswanderung im 18. Jahrhundert. Ulm 2012 (Kleine Reihe des Stadtarchivs Ulm 10).
  • Márta Fata (Hg.): „Die Schiff‘ stehn schon bereit“. Ulm und die Auswanderung nach Ungarn im 18. Jahrhundert. Ulm 2009 (Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm. Reihe Dokumentation 13)

Quellenübersicht

  • Ungedruckte Quellen: vergleichsweise wenige Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: verschiedentlich auf Flugschriften, überaus häufig in Gebrauchsliederbüchern
  • Bild-Quellen: öfters auf Liedpostkarten
  • Tondokumente: viele Tonträger

Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.


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