Drunten im Unterland
Da ist´s halt fein.
Schlehen im Oberland,
Trauben im Unterland,
Drunten im Unterland
Möcht’i wohl sein.
Drunten im Neckartal,
Da ist´s halt gut.
Ist mer´s da oben ´rum
Manchmal a no so dumm,
Han i doch alleweil
Drunten gut´s Blut.
Kinderlieder – Album 1
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme
Kalt ist’s im Oberland,
Drunten ist’s warm.
Oben sind d’Leut‘ so reich,
D’Herzen sind gar net weich,
B’sehnt mi net freundlich an,
werdet net warm.
Aber da unten ‚rum,
Da sind d’Leut arm,
Aber so froh und frei
Und in der Liebe treu,
Drum sind im Unterland
D’Herzen so warm.
Text: Gottfried Weigle 1835 – (1816-1855)
Melodie: Schwaben 19. Jahrhundert, Melodie zu „Draußen im Schwabeland“, bearbeitet und verbreitet von Friedrich Silcher (1789-1860)
Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Frauke Schmitz-Gropengiesser: Drunten im Unterland (2013). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/drunten_im_unterland/
Das volkstümliche Lied „Drunten im Unterland“ ist erstmals 1836 in einer Sammlung vierstimmiger Männerchöre Friedrich Silchers erschienen. Die Melodie entlehnte Silcher einem anderen, seinerzeit recht bekannten Lied („Draußen im Schwabenland“), den Text verfasste Gottfried Hartmann Weigle. „Drunten im Unterland“ preist, in leichter Dialektfärbung, die Vorzüge einer bestimmten Region Württembergs, hat aber schon bald im gesamten deutschen Sprachraum Verbreitung gefunden und ist bis heute populär geblieben.
I. „Drunten im Unterland“ ist eine Liedschöpfung Friedrich Silchers (1789–1860). Er übernahm dafür die Melodie des Liedes „Draußen im Schwabenland“ (s. weiterführend II.) und bearbeitete sie für vierstimmigen Männerchor. Den Text zu „Drunten im Unterland“ verfasste – wohl auf eine Anregung Silchers hin – der spätere Missionar und Sprachforscher Gottfried Hartmann Weigle (1816–1855) 1835 als Student in Tübingen, wo Silcher als Universitätsmusikdirektor und Leiter der Akademischen Liedertafel wirkte. Veröffentlicht wurde das Lied zuerst 1836 im 5. Heft von Silchers „Volksliedern“ für vier Männerstimmen (op. 26, Nr. 3) (Edition A).
II. Der Liedforscher Ludwig Erk bemerkte 1844, dass die „Drunten im Unterland“ zugewiesene Melodie „durch ganz Deutschland verbreitet“ sei; zugrunde liege sie einem „Jägerlied“ mit dem Incipit „Droben (drunten) im Schwabenland wächst ein schön’s Holz“. Tatsächlich muss dies ein weithin bekanntes Lied gewesen sein, denn es ist in „Hunderten von Varianten“ überliefert (Holzapfel 2000; vgl. auch Erk/Böhme 1894, Bd. 3, Nr. 1461, hier mit dem Incipit „Drüben im Odenwald, da wächst ein schönes Holz“). In Ernst Meiers Sammlung „Schwäbische Volkslieder“ (1855) findet sich ein aus mündlicher Überlieferung aufgezeichneter Beleg dieses Liedtyps („Draußen im Schwabeland wächst a schöns Holz“), der in räumlich und zeitlich relativ enger Nähe zu Silchers Melodieadaption steht (Edition C).
III. Der Text von „Drunten im Unterland“ stimmt ein Lob auf das „Unterland“ und die dort lebenden Menschen an. Als „Unterland“ bezeichnete man seinerzeit den von der Alten Weinsteige in Stuttgart Neckar abwärts gelegenen Teil Württembergs („unter der Steig“). Hier, so heißt es, herrschten angenehme klimatische Verhältnisse und es wüchsen Trauben, im „Oberland“ („ob der Steig“, am oberen Neckar, auf der schwäbischen Alb und in Oberschwaben) sei es dagegen kalt. Auch die Bewohner der beiden Regionen würden sich grundsätzlich unterscheiden: „Oben sind d’Leut so reich, d’Herzen sind gar net weich“, im „Unterland“ seien die Menschen zwar arm, dafür aber „froh und frei“ und „in der Liebe treu“. Entsprechend könne man sich nur hier wohl fühlen. Gottfried Hartmann Weigle stammte selbst aus Ludwigsburg („unter der Steig“). Bei seiner Erstveröffentlichung 1836 trug das Lied den Titel „Unterländers Heimweh“ (Edition A). Mit „Droben im Oberland, do isch halt nett“ entstand vermutlich unmittelbar ein Gegenlied zu „Drunten im Unterland“. Darin werden umgekehrt die Vorzüge des württembergischen Oberlandes und seiner Bewohner herausgestellt, die „Unterländer“ aber geschmäht („könnet it freundle sai, außer ’s trag‘ Nutze ei“) (Edition B). Der Erstdruck dieses Liedes ist bislang unbekannt. Im Vergleich zu „Drunten im Unterland“ hat es über den schwäbischen Raum hinaus kaum Verbreitung gefunden. Ein Grund dafür dürfte die stärkere Dialektfärbung des Textes sein.
IV. Im Repertoire der deutschen Männerchorbewegung, die sich ab den 1820er Jahren maßgeblich von Württemberg aus entwickelte, spielten Silchers „Volkslieder“ eine große Rolle. Auf diesem Weg fand auch „Drunten im Unterland“ rasch Verbreitung. Durch die Aufnahme des Liedes in das „Allgemeine Deutsche Kommersbuch“ (zahlreiche Auflagen ab 1858), für die Silcher als Mitherausgeber sorgte, rückte „Drunten im Unterland“ in den Kernbestand viel gesungener Studentenlieder. Darüber hinaus lässt sich „Drunten im Unterland“ bis um 1900 in einer zunehmenden Zahl allgemeiner Gebrauchsliederbücher und solchen für fest umrissene Zielgruppen belegen („Des Ruderers schönste Lieder“, „Liederbuch für katholische Arbeiter-Vereine“, „Deutsches Feuerwehr-Kommersbuch“ u. a.). Im frühen 20. Jahrhundert wurde das Lied von der Wandervogelbewegung aufgegriffen, die es häufig in ihre Liederbücher aufnahm (Edition E). Eine nochmals hohe Veröffentlichungsfrequenz lässt sich für den Zeitraum zwischen Ende des Zweiten Weltkrieges und Mitte der 1960er Jahre ausmachen.
V. Aufgrund seiner Popularität wurde „Drunten im Unterland“ vielfach parodiert (zur frühesten Parodie „Droben im Oberland“ s. oben III.). Um 1900 kursierte in Berlin etwa das folgende „Wanzenlied“: „Drunten im Unterhemd, / da ist’s halt fein. / Kalt ist’s im Oberhemd, / warm ist’s im Unterhemd, / drunten im Unterhemd / möcht ich wohl sein“ (Koepp/Cleff 1959). Aus dem Ersten Weltkrieg ist eine Umdichtung des Liedes überliefert, die den Stellungskrieg in den Schützengräben thematisiert („Drunten im Unterstand, da ists halt fein“; Edition D). Auch fremdsprachige Adaptionen von „Drunten im Unterland“ sind überliefert. So erschien in „Die F.A.K.-Volksangbundel“, dem Liederbuch des 1929 gegründeten Verbandes der Kulturvereinigungen der südafrikanischen Buren, eine Fassung des Liedes in Afrikaans („Hier in die Suiderland is sonneskyn“; Edition F), in der das freie Leben im sonnigen Südafrika besungen und den Verhältnissen in „Noorderland“ gegenübergestellt wird.
FRAUKE SCHMITZ-GROPENGIESSER
Quellenrecherche: JOHNANNA ZIEMANN
(August 2012)
Editionen und Referenzwerke
- Lieber Leierkastenmann. Berliner Lieder. Hrsg. von Johannes Koepp und Wilhelm Cleff. Bad Godesberg 1959, S. 96.
- Hoffmann/Prahl 1900, S. 63 (Nr. 291).
- Böhme, Volksthüml. Lieder 1895, S. 399 (Nr. 533).
- Friedlaender, Commersbuch 1892, S. 46 (Nr. 44) u. S. 153.
- Neue Sammlung deutscher Volkslieder mit ihren eigenthümlichen Melodien. Hrsg. von Ludwig Erk. Viertes und fünftes Heft. Berlin 1844, S. 48.
Weiterführende Literatur
- Otto Holzapfel: „Drunten im Hulsteiner Wald…“ Ein Lied aus der Prager Sammlung im Deutschen Volksliedarchiv (DVA), Freiburg i. Br. In: Volksmusik – Wandel und Deutung. Festschrift Walter Deutsch zum 75. Geburtstag. Hrsg. von Gerlinde Haid u.a. Wien, Köln, Weimar 2000 (Schriften zur Volksmusik 19), S. 403–416 (Zitat S. 407).
Quellenübersicht
- Ungedruckte Quellen: Ungedruckte Quellen: vergleichsweise wenige Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
- Gedruckte Quellen: vereinzelt auf Flugschriften, überaus häufig in Gebrauchsliederbüchern
- Bild-Quellen: gelegentlich auf Liedpostkarten
- Tondokumente: viele Tonträger
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.
© Deutsches Volksliedarchiv
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