Ein feste Burg ist unser Gott

Ein feste Burg ist unser Gott,
ein gute Wehr und Waffen.
Er hilft uns frei aus aller Not,
die uns jetzt hat betroffen.
Der altböse Feind
mit Ernst er’s jetzt meint;
groß Macht und viel List
sein grausam Rüstung ist,
auf Erd ist nicht seinsgleichen.

Kinderlieder-CD zum Mitsingen

Kinderlieder – Album 1
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme

Mit unsrer Macht ist nichts getan,
wir sind gar bald verloren;
es streit’ für uns der rechte Mann,
den Gott hat selbst erkoren.
Fragst du, wer der ist?
Er heißt Jesus Christ,
der Herr Zebaoth,
und ist kein andrer Gott,
das Feld muss er behalten.

Und wenn die Welt voll Teufel wär
und wollt uns gar verschlingen,
so fürchten wir uns nicht so sehr,
es soll uns doch gelingen.
Der Fürst dieser Welt,
wie saur er sich stellt,
tut er uns doch nicht;
das macht, er ist gericht’.
Ein Wörtlein kann ihn fällen.

Das Wort sie sollen lassen stahn
und kein’ Dank dazu haben;
er ist bei uns wohl auf dem Plan
mit seinem Geist und Gaben.
Nehmen sie den Leib,
Gut, Ehr, Kind und Weib:
laß fahren dahin,
sie habens kein’ Gewinn,
das Reich muß uns doch bleiben.

Text und Melodie: Martin Luther 1528 – (1483–1546)

Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Michael Fischer: Ein feste Burg ist unser Gott (2007). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. http://www.liederlexikon.de/lieder/ein_feste_burg_ist_unser_gott/

„Ein feste Burg ist unser Gott“ gehört zu den bekanntesten protestantischen Chorälen. Er stammt aus dem frühen 16. Jahrhundert und wurde von Martin Luther (1483–1546) gedichtet. Vermutlich ist Luther auch Urheber der Melodie. Das Lied war ursprünglich ein Vertrauenslied über den 46. Psalm und avancierte schon im Reformationsjahrhundert zum evangelischen Bekenntnislied schlechthin, im 19. und 20. Jahrhundert dann auch zur nationalprotestantischen Hymne.

I. „Ein feste Burg ist unser Gott“ wurde erstmals 1529 im Klugschen Gesangbuch in Wittenberg gedruckt (Edition A). Entstehung und Veröffentlichung des Liedes fallen in die Phase der Konsolidierung der Reformation. Zeitgleich zeichnete sich der endgültige Bruch mit den Altgläubigen ab: Die „Protestanten“ wurden eine eigene Religionspartei (Speyrer Reichstag 1529). Möglicherweise erklärt dieser zeitgenössische Hintergrund die Schärfe und Entschlossenheit der Diktion.

II. Der Liedtext legt den 46. Psalm aus. Ähnlich der biblischen Vorlage stellt Luther in diesem Choral Gottes Macht und Schutz den Anfeindungen gottwidriger Mächte gegenüber. Diese werden als Werkzeuge metaphysischer Kräfte aufgefasst. In Anlehnung an mittelalterliche Traditionen benennt das Lied den Teufel als „alten, bösen Feind“ (Str. 1) und als „Fürst dieser Welt“ (Str. 3). Durch die vierte Strophe bekommt der Text einen kämpferischen Akzent. Zeitgenössisch richtete sich diese Strophe wohl gegen die Altgläubigen, die sich der Reformation und – aus Sicht Luthers und seiner Anhänger – dem Wort Gottes verweigerten.

III. Schon im Laufe des 16. Jahrhunderts, erst recht aber nach dem hundertjährigen Reformationsjubiläum 1617, entwickelte sich der Choral zum Reformationslied. Die ursprüngliche Bedeutung als Psalm- bzw. Wort-Gotteslied verblasste dabei zusehends. Um politische Missverständnisse („Heiliges römisches Reich deutscher Nation“) auszuschließen, präzisieren einige Gesangbücher die Schlusszeile: „Das Reich Gottes muß uns bleiben“ (Berliner Gesangbuch 1829, Edition D). Im Zeitalter der Aufklärung wurde das Lied redigiert, umgedichtet oder ganz aus den Gesangbüchern ausgeschieden. Ein bemerkenswertes Rezeptionszeugnis findet sich im Buch „Lieder der Deutschen zur Erbauung“ (Hamburg 1774) und stammt von Johann Adolph Schlegel (1721–1793). Dort wird schon durch die Überschrift klargestellt, dass sich das Lied nicht auf menschliche, geschweige denn kriegerische Bemühungen bezieht, sondern auf Christus und seinen Schutz der Kirche (Edition B).

IV. Mit dem Abdruck des Liedes im ersten Band der Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“ (Heidelberg 1806) überschreitet das Lied die Grenze des Kirchengesangs und hält Einzug in Gebrauchsliederbücher und Volksliedsammlungen. Die im „Wunderhorn“ abgedruckte erweiterte, fünfstrophige Fassung geht auf Varianten des 16. und frühen 18. Jahrhunderts zurück (Edition C). Diese belegen auch, dass das Lied schon damals in militärischen Zusammenhängen gesungen wurde.

V. Im 19. Jahrhundert avancierte der Choral zu einem „Identitätssignal des Protestantismus“ (Karl Dienst). Bereits bei den studentischen Feiern auf der Wartburg im Oktober 1817 spielte das Lied eine besondere Rolle. Heinrich Heine spricht in seiner Schrift zur „Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“ (1834) von der „Marseiller Hymne der Reformation“ und ordnet das Lied in die Geschichte der Gedankenfreiheit ein. Der Hymnologe Albert Friedrich Wilhelm Fischer vertrat wiederum die Auffassung, das Lied habe „je und je als das eigentliche Trutz- und Triumphlied der evangelischen Kirche gegolten“ (1878). Auch in der Druckgraphik spiegelt sich diese Auffassung wieder, etwa im Frontispiz für das Straßburger Gesangbuch von 1899. Dort ist die vom Meer umbrandete „feste Burg“ identisch mit der Wartburg, dem Wirkungsort Luthers (Abb. 1).

VI. Dementsprechend war eine katholische Rezeption unmöglich – und zwar aufgrund der Geschichte des Liedes, nicht aufgrund seines Inhalts. Im Kulturkampf dichtete der Jesuit Joseph Mohr (1834–1892) mit „Ein Haus voll Glorie schauet“ eine Art Gegenlied, das ebenfalls die Burg- und Festungsmetaphorik gegen die gottfeindliche Welt aufbietet.

VII. In der mittlerweile fast 500-jährigen Rezeptionsgeschichte blieb die ursprüngliche Melodie nahezu unangefochten. Allerdings wurde bereits im 17. Jahrhundert die komplexe rhythmische Struktur der Erstveröffentlichung abgeschliffen. Im 18. Jahrhundert passten Gesangbuchherausgeber und Musiker die Weise einem Dreiermetrum an. Mit der Romantik und der Gesangbuchrestauration des 19. Jahrhunderts wurde die ursprüngliche rhythmische Fassung wiederhergestellt oder der isometrischen an die Seite gestellt. Allerdings konnte sich die originale rhythmische Melodiegestalt nicht recht durchsetzen: Das „Deutsche evangelische Gesangbuch“ von 1915 bietet eine isometrische Fassung (Edition H), das „Evangelische Gesangbuch“ aus dem Jahr 1990 hingegen bietet beide Versionen.

VIII. Die außergewöhnliche kulturgeschichtliche Bedeutung des Liedes kann man auch daran ablesen, dass „Ein feste Burg ist unser Gott“ unzählige Male musikalisch bearbeitet oder zitiert wurde. Neben Joh. Seb. Bachs gleichnamiger Choralkantate zum Reformationsfest (BWV 80) ist auch seine Orgelbearbeitung anzuführen (BWV 720). Im 19. Jahrhundert schuf Felix Mendelssohn Bartholdy zur 300-Jahr-Feier der Augsburger Konfession 1830 seine „Reformationssymphonie“ (Uraufführung erst 1832), die im Finalsatz auf Luthers Choralweise zurückgreift. Instrumental-vokal angelegt ist die „Kirchliche Festouvertüre über den Choral ‚Eine feste Burg ist unser Gott’“ (1836) von Otto Nicolai, die 1852 von Franz Liszt für Orgel bearbeitet wurde. Erwähnt sei ebenso Max Regers Orgelphantasie (op. 27) aus dem Jahr 1898. Die musikalische Rezeption erstreckte sich im 19. Jahrhundert auch auf Oratorien und Oper: In Giacomo Meyerbeers „Les Huguenots“ (1836) wird der Choral gleichsam leitmotivartig verwendet.

IX. Groß ist auch die Zahl der (weltlichen) Parodien. Aus dem 19. Jahrhundert sind mehrfach militaristische Umdichtungen belegt, etwa aus dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 (Edition F). Doch benutzen nicht nur nationale und militaristische Kreise das Lied für ihre Zwecke (Abb. 2), sondern auch politisch links stehende Vereinigungen und Personen. Schon bei der Revolution 1848/49 wurde das Lied parodiert und in Anspielung auf die christliche Lehre von der Trinität eine neue Dreifaltigkeit beschworen: nämlich „Freiheit, Wahrheit, Tugend“ (Edition E). Im ausgehenden 19. Jahrhundert sang die sozialdemokratische Arbeiterbewegung die Umdichtung „Eine feste Burg ist unser Bund“ (Edition G). Bertolt Brecht wiederum hat in seinen „Hitler-Chorälen“ (1933) dieses – auch von den Nationalsozialisten vereinnahmte – Lied explizit gegen deren „Führer“ gewandt („Ein‘ große Hilf war uns sein Maul“) und Erich Fried veröffentlichte im Gedichtband „So kam ich unter die Deutschen“ (1977) seine Parodie „Ein feste Burg ist unser Stammheim“, womit er auf den Tod Ulrike Meinhofs ein Jahr zuvor reagierte. Auch für die neuen sozialen Bewegungen der 1980er Jahre diente das Lied verschiedentlich als Vorlage für kritische Umdichtungen, zumal in der Anti-Atomkraft-Bewegung (Edition I und Abb. 3).

MICHAEL FISCHER
(Mai 2006 / Mai 2007)

Literatur

  • Karl Dienst: Martin Luthers „Ein feste Burg ist unser Gott“ als Identitätssignal des Protestantismus im 19. und 20. Jahrhundert.
    (Publiziert unter: http://www.kreuzwacht.de/feste_burg.pdf [Stand: 13. Oktober 2010]).
  • Hermann Kurzke: Hymnen und Lieder der Deutschen. Mainz 1990, S. 185–209.
  • Joachim Stalmann: Ein feste Burg ist unser Gott / Psalm 46. In: Handbuch zum Evangelischen Kirchengesangbuch. Bd. III,2: Liederkunde. Hrsg. von Joachim Stalmann und Johannes Heinrich. Göttingen 1990, S. 58–69.
  • Inge Mager: Martin Luthers Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ und Psalm 46. In: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 30 (1986), S. 87–96.

Editionen und Referenzwerke

Weiterführende Literatur

  • Otto Nicolai: Kirchliche Festouvertüre über den Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ op. 31. Hrsg. von Klaus Rettinghaus. Stuttgart 2010. 

Quellenübersicht

  • Ungedruckte Quellen: keine Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: häufig auf Flugschriften, sehr häufig in Gebrauchsliederbüchern, überaus häufig in Kirchengesangbüchern (nur evangelische), sehr viele sonstige Rezeptionsbelege
  • Bild-Quellen: öfters auf Liedpostkarten
  • Tondokumente: sehr viele Tonträger (über 200)

Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Darüber hinaus wurden auch die Bestände des Gesangbucharchivs Mainz sowie (hinsichtlich der Tonträger) des Deutschen Musikarchivs Berlin miteinbezogen.

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