Es kommt ein Schiff geladen

Es kommt ein Schiff, geladen
Bis an sein‘ höchsten Bord,
Trägt Gottes Sohn voll Gnaden,
Des Vaters ewig’s Wort.

Das Schiff geht still im Triebe,
Es trägt ein teure Last;
Das Segel ist die Liebe,
Der Heilig Geist der Mast.

Weihnachtslieder-CD zum Mitsingen

Weihnachtslieder – Album 2
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme

Der Anker haft‘ auf Erden,
Da ist das Schiff am Land.
Das Wort tut Fleisch uns werden,
Der Sohn ist uns gesandt.

Zu Bethlehem geboren
Im Stall ein Kindelein,
Gibt sich für uns verloren;
Gelobet muß es sein.

Und wer dies Kind mit Freuden
Umfangen, küssen will,
Muß vorher mit ihm leiden
Groß Pein und Marter viel.

Danach mit ihm auch sterben
Und geistlich aufersteh’n,
Ewig’s Leben zu erben,
Wie an ihm ist gescheh’n.

Text: Daniel Sudermann um 1626 – (1550-1631) nach einem Marienlied aus Straßburg, 15. Jahrhundert
Melodie: Köln 1608

Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Michael Fischer: Es kommt ein Schiff geladen (2005). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/es_kommt_ein_schiff_geladen/

Das Lied „Es kommt ein Schiff geladen“ gehört zu den bekanntesten Advents- und Weihnachtsliedern. Zugleich ist es auch eines der ältesten: In der Vergangenheit wurde es dem mittelalterlichen Mystiker Johannes Tauler (1300–1361) zugeschrieben. Überlieferungsgeschichtlich lässt es sich jedoch nur bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts zurückverfolgen. Inhaltlich zentral ist die Schiffsmetaphorik, die sich auf Maria und die Menschwerdung Christi bezieht. In der Frühen Neuzeit wurde das Lied sowohl von katholischer als auch von evangelischer Seite rezipiert.

I. Drei spätmittelalterliche Handschriften aus Frauenklöstern legen nahe, dass das Lied im 15. Jahrhundert entstanden ist, vermutlich im Elsass (Edition A). Die Zuschreibung an den Straßburger Dominikaner Johannes Tauler besteht wohl nicht zu Recht, auch wenn sich theologisch Übereinstimmungen zwischen dem Werk Taulers und dem Lied ausmachen lassen. Nach den drei ältesten Quellen zu urteilen, war das Lied im Spätmittelalter im niederländischen, elsässischen und schwäbischen (vgl. Edition B) Kulturraum verbreitet.

II. Die Schiffsmetaphorik des Liedes meint zunächst Maria, die in der christlichen Tradition als „navis gaudiorum“ (Schiff der Freuden) und „foederis arca“ (Arche des Bundes) gefeiert wurde. Der Text stellt Maria in ihrer Rolle als Gottesgebärerin heraus: Sie bringt Christus – gleichsam wie ein Schiff – in die Welt.

III. In der Frühen Neuzeit wurde das Lied sowohl von Katholiken als auch von Protestanten aufgegriffen. Für die katholische Rezeption ist das Andernacher Gesangbuch aus dem Jahr 1608 anzuführen (Edition C), für die protestantische die 1626 gedruckte Bearbeitung durch Daniel Sudermann (Edition D). Entsprechend den dogmatischen Vorgaben seiner Konfession bietet letzterer eine christologische Zentrierung des alten Gesanges; die mariologischen Motive wurden zurückgedrängt. Ungeachtet der hohen poetischen Qualität des Liedes entsprach der Text aber offensichtlich nicht mehr den ästhetischen und spirituellen Bedürfnissen des Barock: Aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind – außer den beiden genannten Drucken von 1608 und 1626 – überhaupt keine Liedbelege überliefert.

IV. Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Lied „Es kommt ein Schiff geladen“ wiederentdeckt und vielfach publiziert. Im 20. Jahrhundert popularisierten und kanonisierten es Hymnologen durch gezielte Veröffentlichungen in Kirchengesangbüchern (Edition E). Dabei setzte sich auch im katholischen Bereich (Einheitsgesangbuch „Gotteslob“ aus dem Jahr 1975) die ursprünglich evangelische Sudermann-Fassung durch, allerdings ergänzt durch eine Marien-Strophe.

MICHAEL FISCHER
(Mai 2005)

Literatur

  • Michael Fischer: Es kommt ein Schiff geladen. Ausführlicher Kommentar zur Liedgeschichte (Mai 2005). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. Für das Deutsche Volksliedarchiv hrsg. von Eckhard John. <www.liederlexikon.de/lieder/es_kommt_ein_schiff_geladen/liedkommentar.pdf>
  • Christa Reich: „Es kommt ein Schiff, geladen“. In: Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland […] hrsg. von Gerhard Hahn und Jürgen Henkys. Heft 5. Göttingen 2002, S. 10–16.
  • Viviane Mellinghoff-Bourgerie: Zur Geschichte des Liedes „Es kommt ein Schiff, geladen“. Von Ephraim dem Syrer zu Johannes Tauler. In: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 33 (1990/1991), S. 111–129.
  • Burghart Wachinger: „Es kommt ein schiff geladen“. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Begründet von Wolfgang Stammler, fortgeführt von Karl Langosch. Zweite, völlig neu bearbeitete Auflage unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter hrsg. von Kurt Ruh […]. Bd. 2. Berlin 1980, Sp. 625–628.
  • Paul Alpers, Markus Jenny: „Es kommt ein Schiff geladen“. In: Jahrbuch Liturgik und Hymnologie 10 (1965), S. 147–152.
  • Sr. M. Eucharis Becker OP: Untersuchungen zu dem Tauler zugeschriebenen Lied „Es kumpt ein Schiff geladen“. In: Johannes Tauler. Ein deutscher Mystiker. Gedenkschrift zum 600. Todestag. Hrsg. von P. Dr. E. Filthaut OP. Essen 1961, S. 77–92.

Editionen und Referenzwerke

  • Erk/Böhme 1894, Bd. 3, S. 628f. (Nr. 1921).
  • Wackernagel 1867, Bd. 2, S. 302f. (Nr. 458ff.).

Quellenübersicht

  • Ungedruckte Quellen: kaum Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: sehr häufig in Gebrauchsliederbüchern, sehr häufig in Kirchengesangbüchern des 20. Jahrhunderts
  • Bild-Quellen: öfters Liedillustrationen
  • Tondokumente: sehr viele Tonträger (über 150)

Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Darüber hinaus wurden auch die Bestände des Gesangbucharchivs Mainz sowie (hinsichtlich der Tonträger) des Deutschen Musikarchivs Berlin miteinbezogen.

Ausführliche Quellendokumentation

© Deutsches Volksliedarchiv

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