Feinsliebchen, du sollst mir nicht barfuß gehn,
du zertrittst dir die zarten Füßlein schön,
tralalala, tralalala!
Du zertrittst dir die zarten Füßlein schön.
Wie sollte ich denn nicht barfuß gehn,
hab keine Schuh ja anzuziehn,
tralalala, tralalala!
Hab keine Schuh ja anzuziehn.
Kinderlieder – Album 1
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme
Feinsliebchen, willst du mein eigen sein,
so kaufe ich dir ein paar Schühlein fein,
tralalala, tralalala!
So kaufe ich dir ein paar Schühlein fein.
Wie könnte ich euer eigen sein,
ich bin ein armes Mägdelein,
tralalala, tralalala!
Ich bin ein armes Mägdelein.
Und bist du auch arm, so nehm ich dich doch,
du hast ja Ehr und Treue noch,
tralalala, tralalala!
Du hast ja Ehr und Treue noch.
Die Ehr und Treue mir keiner nahm,
ich bin, wie ich von der Mutter kam,
tralalala, tralalala!
Ich bin, wie ich von der Mutter kam.
Und Ehr und Treu ist besser wie Geld,
Ich nehm mir ein Weib, das mir gefällt,
tralalala, tralalala!
Ich nehm mir ein Weib, das mir gefällt.
Was zog er aus seiner Tasche fein,
Von blauer Seide sind’s Strümpfelein,
tralalala, tralalala!
Von blauer Seide sind’s Strümpfelein.
Sie setzte sich nieder auf einen Stein,
Und zog die Strümpfe an ihre Bein,
tralalala, tralalala!
Und zog die Strümpfe an ihre Bein.
Was zog er aus seiner Tasche dazu,
Von blauem Leder ein Paar Schuh,
tralalala, tralalala!
Von blauem Leder ein Paar Schuh!
Sie zog die Schühlein an den Fuß,
Und dankte ihm gar sehr dazu,
tralalala, tralalala!
Und dankte ihm gar sehr dazu.
Was zog er aus seiner Taschen fein?
Mein Herz, von Gold ein Ringelein,
tralalala, tralalala!
Mein Herz, von Gold ein Ringelein.
Text: Anton Wilhelm von Zuccalmaglio 1840 – (1803–1869) nach dem Lied „Ay Annle! du so’st ni boeves gien“ aus Nordostmähren
Melodie: nach einer Weise zur Ballade „Winterrosen“. Johannes Brahms (1833-1897) bearbeitete diese Melodie für sein Klavierlied „Feinsliebchen, du sollst mir nicht barfuß gehen“ (Deutsche Volkslieder Nr. 12)
Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Frauke Schmitz-Gropengiesser: Feinsliebchen, du sollst mir nicht barfuß gehn (2009). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/feinsliebchen_du_sollst_nicht_barfuss_gehn/
„Feinsliebchen, du sollst mir nicht barfuß gehn“ ist in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden. Es handelt vom Werben eines gut situierten Mannes um ein armes Mädchen. Das Lied ist eine auf Anton Wilhelm von Zuccalmaglio zurückgehende Kompilation: Er hat den Text eines kuhländischen Volksliedes ins Hochdeutsche übertragen und mit einer Melodie der Ballade „Winterrosen“ verbunden. Im 20. Jahrhundert durch die Jugendbewegung stark verbreitet, nimmt die Rezeption des Liedes seit den 1960er Jahren stetig ab.
I. Die Textvorlage zu „Feinsliebchen, du sollst mir nicht barfuß gehn“ stammt aus dem Kuhländchen (Nordostmähren): „Ay Annle! du so’st ni boeves gien“. Joseph George Meinert (1773–1844), ein Volksliedsammler und Philosoph, veröffentlichte den Text erstmals 1814 und nahm ihn drei Jahre später auch in seine Sammlung „Alte teutsche Volkslieder in der Mundrt des Kuhländchens“ auf (Edition A). Im Jahr darauf – 1818 – legte Felix Jaschke ebenfalls eine Sammlung kuhländischer Lieder an. Auch dort ist das Lied „Annle du sollst nie borwes giehn“ enthalten, diesmal aber mit Melodie (Edition B). Die Textversionen beider Quellen weisen deutliche Unterschiede auf: Während die von Meinert überlieferte Fassung mit zwölf Strophen eine fortlaufende Geschichte erzählt, fallen bei der längeren Version Jaschkes inhaltliche Brüche und die Vermischung mit einem anderen Lied auf: Nach den ersten sechs Strophen widmet sich der Text unvermittelt einer Mordgeschichte. Welchen Stellenwert das „Annle“-Lied im 19. Jahrhundert im Kuhländchen hatte, ist nicht bekannt – offenbar war es dort aber nicht besonders stark verbreitet. Erst als es nach der Jahrhundertwende im hochdeutschem „Feinsliebchen“-Kostüm (mit dem von Meinert vorgelegten Zuschnitt) erfolgreich popularisiert wurde, versuchte man das Lied (in der Fassung von Jaschke) auch als „sudetendeutsches Volkslied“ zu etablieren (Jungbauer/Horntrich 1941).
II. In dem Gedicht „Ay Annle! du so’st ni boeves gien“ wirbt ein wohlhabender Mann um Annle, ein armes Dienstmädchen, und nachdem sie ihm versichert hat, noch unberührt zu sein, will er sie heiraten, ungeachtet ihrer Armut. Zur Besiegelung seines Heiratsversprechens schenkt er ihr grüne Seidenstrümpfe und -schuhe. Der Text besteht aus zwölf kurzen Strophen und ist als Dialog zwischen dem Mann und dem Mädchen verfasst. Dass ein reicher Mann ein armes Mädchen heiraten möchte, war eher ungewöhnlich und entsprach nicht den traditionellen Konventionen. Doch mit seiner Willensbekundung, dass er nur ein Mädchen zur Frau nehme, das ihm gefalle (Strophe 6), setzt sich der Mann in diesem Lied selbstbewusst über solche Standesschranken hinweg.
III. Anton Wilhelm von Zuccalmaglio (1803–1869) übersetzte den kuhländischen Text von J. G. Meinert ins Hochdeutsche und nahm einige Veränderungen daran vor. Abgesehen von der Ersetzung des Namens „Annle“ durch das allgemeinere „Feinsliebchen“ sind bei ihm die Strümpfe und Schuhe blau und die Schuhe nicht aus Seide, sondern aus Leder. In der letzten Strophe schenkt der Mann dem Mädchen einen goldenen Ring, wogegen er in der Vorlage dem Mädchen seine Hand reicht. Der augenfälligste Eingriff Zuccalmaglios ist aber die Veränderung des Titels: Statt „Belohnte Unschuld“ nannte er das Lied „Die Versuchung“. Als Melodie zog er eine Version der Ballade „Winterrosen“ heran und fügte – um den Liedtext dieser Melodie anzupassen – den eigentlich zweizeiligen Strophen zwei weitere, auf Wiederholung basierende Verse hinzu. Das auf diese Weise gemachte „Feinsliebchen“-Lied erklärte Zuccalmaglio zu einem angeblich „aus Norddeutschland“ stammenden, vermeintlichen „Volkslied“ (Edition C).
IV. Den einzig nennenswerten Wiederhall fand „Feinsliebchen, du sollst mir nicht barfuß gehn“ im 19. Jahrhundert bei Johannes Brahms. Er komponierte zu Zuccalmaglios Lied eine Klavierbegleitung und veröffentlichte es 1894 in seinen 49 „Deutschen Volksliedern“ (Edition D). Durch Brahms‘ Bearbeitung wurde das Lied überhaupt erst allgemeiner bekannt. Max Friedländer merkte an, dass es „zu den meistgesungenen der Sammlung“ gehörte (Friedländer 1922). Die Jugendbewegung nahm es Anfang des 20. Jahrhunderts in ihr Repertoire auf, wodurch „Feinsliebchen, du sollst mir nicht barfuß gehn“ sehr große Verbreitung fand (Edition E), die bis in die 1950er Jahre anhielt.
V. Die große Beliebtheit von „Feinsliebchen, du sollst mir nicht barfuß gehn“ nahm seit den 1960er Jahren deutlich ab, und nach 1970 wird das Lied in Liederbüchern kaum noch abgedruckt. Sein altertümelndes Image (im „Zupfgeigenhansl“ erschien das „Feinsliebchen“-Lied beispielsweise im Abschnitt „Minnedienst“), sein antiquiert anmutender Inhalt (mit dem Hinweis auf die weibliche Unberührtheit als Voraussetzung für eine Heirat) war längst unzeitgemäß und obsolet geworden. Auch der Versuch von Wolfgang Steinitz, dieses Lied 1954 als „demokratisches Volkslied“ neu aufzuwerten, da es als „Liebeslied zwischen arm und reich“ die Strukturen der kapitalistischen Klassengesellschaft unterlaufe, zeitigte keine erkennbare Wirkung. Vielmehr hat wohl seine breite Rezeption in den zwanziger und dreißiger Jahren Vorbehalte ausgelöst: Franz Josef Degenhardt formulierte 1968 etwa in seinem Chanson „Die alten Lieder“ pointiert: „Ja, wo sind die Lieder, / unsre alten Lieder? / Nicht für’n Heller oder Batzen / mag Feinsliebchen barfuß ziehn, / und kein schriller Schrei nach Norden / will aus meiner Kehle fliehn.“
FRAUKE SCHMITZ-GROPENGIESSER
(Juli 2009)
Editionen und Referenzwerke
- Kramolisch 1987, Teil 1, S. 80f.; Teil 2, S. 61–63; Teil 3, S. 30f. und S. 195.
- McCorkle, Brahms Werkverzeichnis 1984, S. 587–597.
- Steinitz 1954, S. 158–160 (Nr. 63).
- Wiora 1953, S. 32 und S. 73 (Nr. 55).
- Jungbauer/Horntrich 1941, S. 254f. (Nr. 240), S. 745 und S. 753.
- Erk/Böhme 1893, Bd. 1, S. 265f. (Nr. 75).
Weiterführende Literatur
- Franz Josef Degenhardt: Kommt an den Tisch unter Pflaumenbäumen. München 1981, S. 51.
- Max Friedländer: Brahms‘ Lieder. Einführung in seine Gesänge für eine und zwei Stimmen. Berlin und Leipzig: N. Simrock 1922 (Zitat S. 173).
Quellenübersicht
- Ungedruckte Quellen: kaum Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
- Gedruckte Quellen: sehr häufig in Gebrauchsliederbüchern
- Bild-Quellen: —
- Tondokumente: häufig auf Tonträger
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Berlin) miteinbezogen.
© Deutsches Volksliedarchiv
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