Gestern bei Mondenschein ging ich spazieren,
gestern bei Mondenschein ging ich spazieren
in dem Hausgärtelein,
in dem Hausgärtelein
bei Mondenschein.
Da saß ein Mägdelein so ganz alleine,
da saß ein Mägdelein so ganz alleine
in dem Hausgärtelein,
in dem Hausgärtelein
bei Mondenschein.
Kinderlieder – Album 1
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme
Mägdlein, was machst du hier so ganz alleine,
Mägdlein, was machst du hier so ganz alleine
in dem Hausgärtelein,
in dem Hausgärtelein
bei Mondenschein?
„Ich bind ein Kränzlein von grünen Zypressen,
ich bind ein Kränzlein von grünen Zypressen
in dem Hausgärtelein,
in dem Hausgärtelein
bei Mondenschein.
„Es soll dem Liebsten sein, wenn er wird kommen,
es soll dem Liebsten sein, wenn er wird kommen
in das Hausgärtelein
in das Hausgärtelein
bei Mondenschein.
Text und Melodie: Schlesien um 1865
Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Frauke Schmitz-Gropengiesser: Gestern bei Mondenschein (2012). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/gestern_bei_mondenschein/
„Gestern bei Mondenschein“ ist ein Mitte des 19. Jahrhunderts aus Schlesien überliefertes Liebeslied. Zunächst mit einer anderen Melodie und Textgestalt belegt, wurde das Lied 1865 in der später geläufigen Form publiziert. Mit seiner Übernahme in Liederbücher der Wandervogel- und Jugendbewegung zu Anfang des 20. Jahrhunderts erlangte „Gestern bei Mondenschein“ breitere Bekanntheit. Seit den 1960er Jahren geht die Zahl der Rezeptionsbelege jedoch deutlich zurück.
I. Mit dem abweichenden Incipit „Gestern Abend bei Mondenschein“ wurde das Lied erstmals 1842 in der von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben und Ernst Richter herausgegebenen Sammlung „Schlesische Volkslieder“ veröffentlicht (Edition A). Der seinerzeit in Breslau, der Hauptstadt der preußischen Provinz Schlesien, als Professor für Germanistik tätige Hoffmann von Fallersleben legte damit eine der ersten mit wissenschaftlichem Apparat versehenen Publikationen von Liedern vor, die „aus dem Munde des Volks“ gesammelt worden waren (sein Freund Richter zeichnete für die musikalische Seite des Projekts verantwortlich). Das Lied „Gestern Abend bei Mondenschein“ war, den Angaben zufolge, in Wilhelminenort (heute: Brzozowiec, Polen), einem kleinen Dorf im Regierungsbezirk Breslau, aufgezeichnet worden. In Text und Melodie unterscheidet sich „Gestern Abend bei Mondenschein“ von einer zweiten Version dieses Liedes, die Anton Peter nur wenig später in Jägerndorf im damaligen Österreichisch-Schlesien (heute: Krnov, Tschechien) aufzeichnete und in seiner Sammlung „Volksthümliches aus Österreichisch-Schlesien“ (1865) mitteilte (Edition B). Mit der Aufnahme in den „Deutschen Liederhort“, das Ende des 19. Jahrhunderts erschienene dreibändige Referenzwerk der Volkslieder aus dem deutschsprachigen Raum, erhielt die Jägerndorfer Fassung des Liedes rezeptionsleitenden Status (Erk/Böhme 1894).
II. Das heute bekannte Lied „Gestern bei Mondenschein“ (Edition B, Edition C) handelt von einem abendlichen Gespräch zwischen einem lyrischen Ich (ob weiblich oder männlich, ist nicht ersichtlich) und einer jungen Frau in einem „Hausgärtelein“. Auf die Frage, was es dort tue, antwortet das „Mägdelein“, dass es einen Kranz „von grünen Cypressen“ binde, den ihr Liebster erhalten solle. Die Zypresse als Symbol hat verschiedene Bedeutungen: In der Antike sah man ihres langlebigen Holzes wegen eine Verbindung zur Unterwelt, zu Leben, Tod, Wiedergeburt und Unsterblichkeit. Aus demselben Grund wird die Zypresse auch als Lebensbaum bezeichnet. Im Mittelalter verstand man die Zypresse als Symbol der Schöpfung und des Paradieses, aber auch Marias, der Mutter Jesu. Die am stärksten verbreitete Zuordnung ist jedoch Tod und Trauer, weshalb sie bis heute häufig als Friedhofspflanze Verwendung findet. Wofür der Zypressenkranz in „Gestern bei Mondenschein“ steht, für die Beständigkeit (Langlebigkeit) der Gefühle des Mädchens oder aber für dessen Trauer über die Untreue des Geliebten, ist nicht klar ersichtlich. In der Version des Liedes, die Hoffmann von Fallersleben und Richter 1842 veröffentlichten (Edition A), scheint die Aussage eher auf die Beständigkeit hinzudeuten. Hier ist das lyrische Ich die junge Frau selbst, ihr Gegenüber in dem Dialog ist ein Mann, ein Reiter. Für ihn ist der Zypressenkranz bestimmt, den das Mädchen bindet, und er verspricht, den Kranz nach seiner Fertigstellung abzuholen und sie damit zu seiner Braut zu machen. Schauplatz der Begegnung ist hier zudem an Stelle des „Hausgärteleins“ ein „Rosengärtelein“, das in Liedern und Gedichten „etwa seit dem 15./16. Jahrhundert […] zum Liebesgarten par excellence“ wurde (Danckert 1977).
III. Anfang des 20. Jahrhunderts übernahm die Jugendbewegung das Liebeslied in der Version, die 1894 in den „Deutschen Liederhort“ Eingang gefunden hatte. 1912 erschien „Gestern bei Mondenschein“ im „Zupfgeigenhansl“ (Edition C), was zur Verbreitung des Liedes maßgeblich beitrug. In der Folge lässt es sich in einer ganzen Reihe von Gebrauchsliederbüchern und als Liedpostkarte (Abb. 1) belegen. Die Rezeption des Liedes hielt bis in die 1950er Jahre an. Nach dem Zweiten Weltkrieg erschien es u. a. in diversen Liedsammlungen der Heimatvertriebenen („Grünet die Hoffnung. Chorlieder aus unvergessener deutscher Heimat“, 1955; „Unverlierbare Heimat. Lieder der Deutschen im größeren Vaterland“, Bd. 3, 1957; „Der schlesische Wanderer“, 1959). Ab den 1960er Jahren findet sich „Gestern im Mondenschein“ aber nur noch vereinzelt in Liederbüchern, etwa in der 1981 von Günter Pössinger herausgegebenen Sammlung „Die schönsten Liebes-Lieder“. Erwähnenswert ist, dass das Lied einen Niederschlag auch in der Literatur gefunden hat. Im Roman „Die Sonnenflöte“ (1952) des deutschen Schriftstellers Hans Leip (1893–1983) symbolisiert „Gestern bei Mondenschein“ die unglückliche Liebe des Protagonisten Tidemunt. Das Lied steht für die Verbundenheit der von ihm geliebten jungen Frau, Silwe, und eines Konkurrenten, des Malers Edward Lorns, denn Tidemunt hört es die beiden im Lauf des Romans mehrfach singen; gleichzeitig versteht er die im Text angesprochenen Zypressen als „uralte Sinnbilder der Trauer“, sie sind ihm ein schlechtes Omen, was sich schließlich auch bewahrheitet, denn Silwe entscheidet sich für Lorns und nicht für Tidemunt.
FRAUKE SCHMITZ-GROPENGIESSER
Quellenrecherche: JOHANNA ZIEMANN
(Oktober 2012)
Editionen und Referenzwerke
- Erk/Böhme 1894, Bd. 2, S. 371f. (Nr. 547).
Weiterführende Literatur
- Werner Danckert: Symbol, Metapher, Allegorie im Lied der Völker. Teil 2: Kultursymbole. Bonn-Bad Godesberg 1977, S. 502.
- Hans Leip: Die Sonnenflöte (1952). München 1958; Zitat S. 114, weitere Nennungen des Liedes S. 124 und S. 163.
Quellenübersicht
- Ungedruckte Quellen: kaum Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
- Gedruckte Quellen: häufig in Gebrauchsliederbüchern
- Bild-Quellen: gelegentlich auf Liedpostkarten
- Tondokumente: verschiedene Tonträger
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.
© Deutsches Volksliedarchiv
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