Ich bin der Doktor Eisenbart

Ich bin der Doktor Eisenbart,
widewidewitt, bum, bum,
kurier die Leut auf meine Art,
widewidewitt, bum, bum.
Kann machen, daß die Blinden gehn,
widewidewitt, juchheirassa,
und daß die Lahmen wieder sehn,
widewidewitt, bum, bum.

Zu Potsdam operierte ich
widewidewitt, bum, bum,
den Koch des großen Friederich.
widewidewitt, bum, bum.
Ich schlug ihm mit dem Beil vorn
widewidewitt, juchheirassa,
gestorben ist der arme Tropf,
widewidewitt, bum, bum.

Kinderlieder-CD zum Mitsingen

Kinderlieder – Album 1
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme

Zu Ulm kuriert ich einen Mann,
widewidewitt, bum, bum,
daß ihm das Blut vom Beine rann.
widewidewitt, bum, bum,
Er wollte gern gekuhpockt sein,
widewidewitt, juchheirassa,
ich impft’s ihm mit dem Bratspieß ein,
widewidewitt, bum, bum.

Des Küsters Sohn in Dideldum,
widewidewitt, bum, bum,
dem gab ich zehn Pfund Opium,
widewidewitt, bum, bum,
drauf schlief er Jahre, Tag und Nacht,
widewidewitt, juchheirassa,
und ist bis heut nicht aufgewacht,
widewidewitt, bum, bum.

Es hatt’ ein Mann in Langensalz
widewidewitt, bum, bum,
’nen zentnerschweren Kropf am Hals,
widewidewitt, bum, bum,
den schnürt ich mit dem Waschseil zu,
widewidewitt, juchheirassa,
probatum est: – nun hat er Ruh,
widewidewitt, bum, bum.

Zu Wien kuriert ich einen Mann,
widewidewitt, bum, bum,
der hatte einen hohlen Zahn.
Widewidewitt, bum, bum,
Ich schoß ihn aus mit der Pistol,
widewidewitt, juchheirassa,
o je, wie ist dem Mann so wohl,
widewidewitt, bum, bum.

Das ist die Art, wie ich kurier,
widewidewitt, bum, bum,
sie ist erprobt, ich bürg dafür!
widewidewitt, bum, bum.
Daß jedes Mittel Wirkung tut,
widewidewitt, juchheirassa,
schwör ich bei meinem Doktorhut,
widewidewitt, bum, bum!

Zu diesem Lied gibt es noch unzählige weitere Strophen!

Text und Melodie: unbekannt um 1800

Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Tobias Widmaier: Ich bin der Doktor Eisenbart (2009). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/ich_bin_der_doktor_eisenbart/

Das um 1800 entstandene Scherzlied „Ich bin der Doktor Eisenbart“ besingt die ungewöhnlichen, meist tödlichen Behandlungsmethoden eines Kurpfuschers. Es fand im 19. und 20. Jahrhundert weite Verbreitung und wurde vielfach parodiert. Darüber hinaus ist eine Reihe fremdsprachiger Liedbelege überliefert.

I. Die Urheberschaft des Liedes „Ich bin der Doktor Eisenbart“ sowie die Umstände seiner Entstehung sind ungeklärt (zu diesbezüglichen Vermutungen vgl. III). Festgehalten werden kann immerhin, dass es nicht früher als um 1800 geschaffen wurde: Die im Lied erwähnte Kuhpockenimpfung (Edition A, Str. 4) wurde 1796 durch den englischen Arzt Edward Jenner eingeführt (die verschiedentlich zu lesende Annahme, es handele sich hier um eine nachträglich eingeschobene Strophe, ist unbegründet). „Ich bin der Doktor Eisenbart“ erlangte unmittelbar große Popularität. Ablesen lässt sich das etwa daran, dass während der Befreiungskriege auf seine Melodie der antinapoleonische Spottgesang „Ich bin der Schlächter Bonapart“ verfasst wurde (Edition E). Vor diesem Hintergrund ist bemerkenswert, dass die bislang früheste datierbare Veröffentlichung des Liedtextes erst aus dem Jahr 1814 stammt. In Gesellschaftsliederbüchern ist „Ich bin der Doktor Eisenbart“ dann jedoch schlagartig breit präsent: Süddeutsche Thalia (Reutlingen 1814), Norddeutsche Thalia (Osnabrück [1814]), Rheinische Thalia (Köln [1815]), Auswahl der schönsten Lieder und Gesänge für fröhliche Gesellschaften (Nürnberg 1815), Auserlesene Gesellschafts-Lieder (Heidelberg 1815). Neben der dort durchgängigen Fassung mit neun Strophen ist „Ich bin der Doktor Eisenbart“ in einem 1818 in Göttingen erschienenen studentischen Kommersbuch auch mit zwölf Strophen belegt (Edition A). Möglicherweise handelt es sich dabei um die ursprüngliche Textgestalt des Liedes (vgl. III). Mit Melodie wurde das Lied erstmals 1840 publiziert (Edition B). Aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist zudem eine Reihe von Liedflugschriften überliefert, die „Ich bin der Doktor Eisenbart“ enthalten.

II. Im Lied „Ich bin der Doktor Eisenbart“ rühmt sich ein weit herumgekommener Kurpfuscher seiner unkonventionellen, todsicher wirkenden Therapien. Das belustigende, in jeder Strophe neu variierte Moment des Liedes liegt in der Spannung zwischen dem selbstbewussten Anpreisen der eigenen Behandlungsmethoden und dem Schicksal der Patienten. Der im Lied als ärztlicher Scharlatan präsentierte „Doktor Eisenbart“ ist historisch verbürgt. Mit diesem aber hat der Liedprotagonist, abgesehen von der Namensgleichheit und einem gewissen marktschreierischen Zug, nichts gemein: Johann Andreas Eisenbarth (1663–1727) war ein zu seiner Zeit weithin bekannter reisender Chirurg, Wund- und Augenarzt, der auch Arzneimittel herstellte und vertrieb (vgl. Eike Pies 1977). Aufgrund seiner unbestrittenen Fähigkeiten wurde ihm eine Reihe landesherrlicher Privilegien gewährt. Überliefert sind einige Werbeflugblätter Eisenbarths, deren manchmal großspuriger Ton wohl schon Zeitgenossen erheiterte. In einem Gedicht Gottfried Benjamin Hanckes (1695–1750) heißt es: „Kaum hat ein Eisenbart, der alle Kranken heilt, / Durch offnen Drommel-Schlag die Zettul ausgetheilt, / So kommen alsbald die Kranken angezogen, / Und doch ist seine Kunst erstunken und erlogen“ (zit. nach Arthur Kopp 1900). Dass „wahrscheinlich … Neid der Collegen“ (Böhme 1895) der Impuls dazu war, das Lied „Ich bin der Doktor Eisenbart“ zu verfassen, ist ebenso spekulativ wie die Behauptung falsch, es sei zumindest 1745 schon bekannt gewesen, „weil das im selbigen Jahre gedruckte Krambambuli-Lied in Str. 53 … dasselbe erwähnt“ (ebd.). Tatsächlich ist darin von dem „Kranckheitsstürmer“ Eisenbart die Rede, nicht jedoch von einem Lied, das auf ihn gemünzt wäre. So kann die betreffende Strophe des „Krambambuli“-Liedes (ebd., Nr. 682) nur als Zeugnis dafür gewertet werden, dass der historische Eisenbarth über seinen Tod hinaus bekannt blieb.

III. Das Scherzlied „Ich bin der Doktor Eisenbart“ ist um 1800 möglicherweise unter Göttinger Studenten entstanden (Georg Witkowski 1922). Ein beliebtes Ziel von deren „Lustparthien“ (vgl. Ratgeber „Der Göttinger Student“, 1813) war seinerzeit Hannoversch Münden, wo der historische Eisenbarth 1727 auf der Durchreise gestorben und ihm ein Grabmal errichtet worden war. Unter Studenten verbreitete sich „Ich bin der Doktor Eisenbart“ rasch, wobei das Lied seine Wirkung auch ganz ohne Wissen um dessen reale Bezüge entfaltete: Der Autor eines Reiseführers, der Anfang des 19. Jahrhunderts in Marburg studiert hatte, bemerkte anlässlich einer Beschreibung Hannoversch Mündens, er habe das „allbekannte“ Lied „Ich bin der Doktor Eisenbart“ im Kreis seiner Kommilitonen „oft“ gesungen, ohne freilich zu ahnen, „daß jener parotirte Mann eine historische Person, und ein sehr achtungswerther Mann“ gewesen sei (Ludwig Boclo 1844). Als Studentenlied blieb „Ich bin der Doktor Eisenbart“ das ganze 19. Jahrhundert hindurch beliebt. Im „Allgemeinen Deutschen Commersbuch“ findet es sich in einer auf 16 Strophen erweiterten Fassung (z. B. 9. Aufl. [um 1860], Anhang Nr. 96), die offenbar recht verbreitet war, wie u. a. ein gegen Ende des 19. Jahrhunderts angelegtes handschriftliches Liederbuch aus Lothringen zeigt (Edition C). Im 20. Jahrhundert wandelte sich das Studenten- und Gesellschaftslied zum Jugend- und Kinderlied (Edition D).

IV. Ein Indikator für die Popularität von „Ich bin der Doktor Eisenbart“ sind die zahlreichen Parodien und neu zu dessen Melodie entstandenen Liedtexte. Auch aktuelles Zeitgeschehen wurde dabei thematisiert. So ist neben dem erwähnten antinapoleonischen Spottgesang „Ich bin der Schlächter Bonapart“ aus dem Jahr 1813 (Edition E) aus der Zeit des Ersten Weltkriegs die Heldenverklärung „Ich bin der Doktor Hindenburg“ überliefert (Edition F). Aus jüngerer Zeit stammt ein „Eisenbart“-Lied, das die „Doktoren“ im Lager der Kernkraft-Verfechter attackierte (Edition H). Eine unverblümte Parodie aus Kindermund hat der Sexualforscher Ernest Bornemann mitgeteilt (Edition G). Außerdem diente die „Eisenbart“-Melodie auch als Grundlage für Liedneuschöpfungen: Die bekanntesten sind das sog. „Kutschkelied“ („Was kraucht dort in dem Busch herum“), das 1870 im Krieg gegen Frankreich entstand und unmittelbar volkstümlich wurde, sowie „Ein Mann, der sich Kolumbus nannt„.

V. „Ich bin der Doktor Eisenbart“ zählt zu jenen Liedern, die über den deutschsprachigen Raum hinaus weite Verbreitung gefunden haben. Als „Ik ben de Doctor Yzerbaard“ ist es schon um 1820 auf einem niederländischen Liedflugblatt belegt (Edition I). Neben mehreren englischen Fassungen – darunter „Oh! Dr. Eisenbarth’s my name“, 1913 erschienen in einem britischen Studentenliederbuch (Edition K) – gab es auch mehrere französische (P. Mitzschke 1905/06). Auch der polnische Volksliedsammler Oskar Kolberg zeichnete vor 1880 aus mündlicher Überlieferung ein Lied auf, das sich deutlich an „Ich bin der Doktor Eisenbart“ anlehnt (Edition J).

VI. Das Lied „Ich bin der Doktor Eisenbart“ und dessen große Bekanntheit bildeten einen wesentlichen Anstoß zu künstlerischen Bearbeitungen des Stoffes, vor allem in Form von Bühnenwerken (Otto Falckenberg 1907, Otto Weddigen 1909, Hugo Schmidtverbeek 1920, Hermann Zilcher 1921, Ernst Heinrich Bethge 1924, Albin Picha 1925). Der erfolgreiche, in einem pseudobarocken Tonfall geschriebene Roman Josef Wincklers „Des verwegenen Chirurgus weltberühmbt Johann Andreas Doktor Eisenbart […] Tugenden und Laster“ (1929) diente dem tschechischen Komponisten Pavel Haas (1899–1944) als Vorlage für das Libretto seiner einzigen Oper „Šarlatán“ (UA Brünn 1938; deutsche EA unter dem Titel „Der Scharlatan“ Gera 2009). Haas bezog in seine Oper auch das Kapitel des Eisenbart-Romans ein, in dem ausgesponnen wird, das Lied vom „Doktor Eisenbart“ sei unter dessen eigener maßgeblicher Mitwirkung entstanden und zum ersten Mal gesungen worden. Von den dort 17 Liedstrophen (die z. T. vom Romanautor Winckler selbst stammen) hat Haas nur einen Teil frei übertragen und vertont. Nico Dostal integrierte in seine Operette „Doktor Eisenbart“ (UA Nürnberg 1952) hingegen das Eisenbart-Lied auch musikalisch. Einige Orte haben Doktor Eisenbart im 20. Jahrhundert zu einer zentralen Gestalt lokaler Gedenkkultur erhoben (und natürlich auch in die Tourismuswerbung einbezogen). Neben Oberviechtach (Geburtsort) und Magdeburg (Wohnort) schmückt sich insbesondere Hannoversch Münden mit ihm (Abb. 1): So zeigt ein Glockenspiel mit Figurenumlauf im Rathausgiebel der Stadt Doktor Eisenbart beim Extrahieren eines Zahns, wozu die Melodie des auf ihn gemünzten Scherzliedes erklingt.

TOBIAS WIDMAIER
Quellenrecherche: JOHANNA ZIEMANN
(Februar 2009)

Literatur

  • P. Mitzschke: Das Eisenbartlied in Frankreich. In: Zeitschrift für Bücherfreunde 9 (1905/06), S. 424.
  • Arthur Kopp: Eisenbart im Leben und im Liede. Berlin 1900 (Beiträge zur Kulturgeschichte 3); dort S. 5 die zitierte Gedichtstrophe von G. B. Hancke.

Editionen und Referenzwerke

Weiterführende Literatur

  • Lubomír Peduzzi: Pavel Haas. Leben und Werk des Komponisten. Hamburg 1996 (Verdrängte Musik 9); zur Oper „Šarlatán“ S. 89 u. 97–107.
  • Lubomír Peduzzi: Doktor Eisenbart, incognito in einer tschechischen Oper [betr. Pavel Haas’ Oper „Šarlatán“]. In: Musik in Theresienstadt. Die Referate des Kolloquiums in Dresden am 4. Mai 1991. Hrsg. von Heidi Tamar Hoffmann und Hans-Günter Klein. Berlin 1991 (Verdrängte Musik 1), S. 15–20.
  • Eike Pies: Ich bin der Doktor Eisenbarth. Arzt der Landstraße. Eine Bildbiographie über das Leben und Wirken des volkstümlichen und berühmten Chirurgen Johann Andreas Eisenbarth (1663–1727). Genf 1977 (zum „Eisenbart“-Lied S. 274–278).
  • Josef Winckler: Des verwegenen Chirurgus weltberühmbt Johann Andreas Doktor Eisenbart […] Tugenden und Laster […] [Roman]. Stuttgart 1929 (darin vor allem Kap. XXVIII: „Die Entstehung des weltberühmten, tausendfältig noch heut’ in lustiger Corona gesungenen Eisenbart Liedes“).
  • Albin Picha: Der Doktor Eisenbart. Ein Rüpelspiel nach alter Art. München 1925.
  • Ernst Heinrich Bethge: Doktor Eisenbart. Ein Schatten-Liederspiel. Leipzig 1924.
  • Georg Witkowski: Der Doktor Eisenbart. In: Ders.: Miniaturen. Leipzig 1922, S. 43–48.
  • Hermann Zilcher: Doktor Eisenbart. Oper [nach der Komödie von O. Falckenberg], op. 45 (Klavierauszug). Leipzig 1921.
  • Hugo Schmidtverbeek: Doktor Eisenbart oder Kaspar als Arzt. Ein Puppenspiel. Leipzig 1920.
  • Otto Weddigen: Doktor Eisenbart. Schalkskomödie in drei Akten mit Prolog und Epilog. Kempten, München 1909.
  • Otto Falckenberg: Doktor Eisenbart. Komödie. München, Leipzig 1907.
  • Ludwig Boclo: Der Begleiter auf dem Weser-Dampfschiffe von Münden nach Bremen. Göttingen 1844 (Zitat S. 10).
  • Der Göttinger Student. Oder Bemerkungen, Rathschläge und Belehrungen über Göttingen und das Studenten-Leben auf der Georgia Augusta. Göttingen 1813.

Quellenübersicht

  • Ungedruckte Quellen: etliche Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: häufig auf Flugschriften, überaus häufig in Gebrauchsliederbüchern, etliche sonstige Rezeptionsbelege
  • Bild-Quellen: gelegentlich auf Liedpostkarten
  • Tondokumente: etliche Tonträger

Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Berlin) miteinbezogen.

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