Ich hab die Nacht geträumet

Ich hab die Nacht geträumet
Wohl einen schweren Traum,
Es wuchs in meinem Garten
Ein Rosmarienbaum.

Ein Kirchhof war der Garten,
Ein Blumenbeet das Grab,
Und von dem grünen Baume
Fiel Kron und Blüten ab.

Kinderlieder-CD zum Mitsingen

Kinderlieder – Album 1
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme

Die Blätter tät ich sammeln
In einen großen Krug,
Der fiel mir aus den Händen,
Daß er in Stücken schlug.

Draus sah ich Perlen rinnen
Und Tröpflein rosenrot.
Was mag der Traum bedeuten?
Herzliebster, bist du tot?

Text: August Zarnack (1777-1827) hat das Lied in seiner Sammlung „Deutsche Volkslieder“ II, Berlin 1820, veröffentlicht. Ob er auch der Dichter ist, ist nicht geklärt.
Melodie: unbekannt 18. Jahrhundert, gleiche Melodie wie „Das Laub fällt von den Bäumen“

Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Frauke Schmitz-Gropengiesser: Ich hab die Nacht geträumet (2012). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/ich_hab_die_nacht_getraeumet/

„Ich hab die Nacht geträumet“ ist ein Anfang des 19. Jahrhunderts entstandenes, volkstümlich gewordenes Liebeslied. Der Text des Liedes wird dem Lehrer August Zarnack zugeschrieben. Bereits im 19. Jahrhundert ist „Ich hab die Nacht geträumet“ häufig veröffentlicht worden, doch eine wirklich breite Rezeption beginnt mit der Übernahme des Liedes durch die Jugendbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts. Bis heute findet sich „Ich hab die Nacht geträumet“ in vielen Gebrauchs- und Schulliederbüchern.

I. Als Urheber des Liedes „Ich hab die Nacht geträumet“ gilt August Zarnack (1777–1827), ein Theologe und Lehrer, der ab 1815 als Direktor des Militärwaisenhauses in Potsdam wirkte und eine Reihe geistlicher und weltlicher Lieder schrieb (z. B. O Tannenbaum). Erstmals erschienen ist „Ich hab die Nacht geträumet“ in der von Zarnack herausgegeben Sammlung „Deutsche Volkslieder mit Volksweisen für Volksschulen“ (Textband 1818; Melodienband 1820) (Edition A). Dem 1818 ohne Verfasserangabe veröffentlichten Liedtext wies Zarnack eine bereits bekannte Melodie zu. Erstmals belegt ist diese für das Lied „Es wollt ein Jäger jagen / dreiviertel Stund vor Tagen“ in der Fassung von Friedrich Nicolais „Feynem kleynem Almanach vol schönerr echterr liblicherr Volckslieder“ (1777). Auch das 1804 von August Mahlmann gedichtete Herbstlied „Das Laub fällt von den Bäumen“ wurde auf diese Melodie gesungen.

II. In dem vierstrophigen Lied (häufig „Der schwere Traum“ betitelt) berichtet ein lyrisches Ich – bei Zarnack eine junge Frau – von einem bedrückenden Traum: Die im Schlaf durchlebten Szenen lassen sie nach dem Erwachen fürchten, ihr „Liebster“ sei womöglich tot. Im Traum sei ihr Garten zum Friedhof geworden, sie habe die herabfallenden Blüten eines dort wachsenden Rosmarinbaums in einem „goldnen Krug“ gesammelt, der aber sei ihr zu Boden gefallen. Aus den Scherben „sah ich Perlen rinnen / und Tröpflein rosenroth“. Die junge Frau deutet ihren Traum als schlechtes Omen. Dass „Ich hab die Nacht geträumet“ zuerst in einem Schulliederbuch erschien, ist angesichts des Liedthemas durchaus bemerkenswert (die zweite nachweisbare Veröffentlichung des Liedes findet sich in einer 1822 vom Breslauer Schullehrer-Verein herausgegebenen Sammlung „für Kinderstimmen“).

III. „Ich hab die Nacht geträumet“ wurde ab den 1840er Jahren zunehmend in Gebrauchsliederbüchern aufgenommen. Nach der Melodiefassung in Gottfried Wilhelm Finks „Musikalischem Hausschatz“ (1843), die gegenüber der bei Zarnack (1820) kleinere rhythmische Veränderungen aufweist, wird das Lied bis heute allgemein gesungen. Mehrfach wurde „Ich hab die Nacht geträumet“ als Chorlied eingerichtet. Aufnahme fand das Lied etwa in G. Zangers „Deutschem Liederkranz“ (1888), einer Sammlung vierstimmiger Männerchöre (Edition B). Eine Fassung für gemischten Chor ist in der „Sammlung von Volksgesängen“ enthalten, die die Musik-Kommission der Zürcher Schulsynode herausgab (vielfache Auflagen bis ins 20. Jahrhundert), eine andere veröffentlichte 1899 Max Reger (in „Acht ausgewählte Volkslieder“, WoO 10). Für die Besetzung Singstimme mit Klavierbegleitung haben verschiedene, eher unbekannte Komponisten Fassungen erstellt.

IV. Mit der Aufnahme von „Ich hab die Nacht geträumet“ durch die Jugendbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts setzt eine noch breitere Rezeption des Liedes ein (Edition C). Von den 1910er Jahren an findet es sich bis zur Gegenwart in zahlreichen Gebrauchs-, Schul- und Chorliederbüchern und wird den „Schönsten deutschen Volksliedern“ (Buchtitel 1978) zugerechnet. Die Beliebtheit von „Ich hab die Nacht geträumet“ lässt sich auch an einer Reihe von Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung erkennen, etwa aus der Schweiz oder aus ehemaligen deutschen Siedlungsgebieten in Osteuropa. Ein Beleg stammt aus einer Sammlung von „Liedern, gesungen von volksdeutschen Rückwanderern aus der Ukraine“, die 1944 aufgezeichnet wurden (Edition D). Die hier im Schlußvers gestellte Frage „Ach Liebchen [statt ursprünglich: Liebster] bist du tot?“ erklärt die bis heute ungebrochene Popularität von „Ich hab die Nacht geträumet“ ein Stückweit mit: Es ließ sich als Lied zurechtsingen, das von Sorgen um jedwede geliebte Person erzählt.

FRAUKE SCHMITZ-GROPENGIESSER
(Februar 2012)

Editionen und Referenzwerke

Quellenübersicht

  • Ungedruckte Quellen: vergleichsweise wenige Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: überaus häufig in Gebrauchsliederbüchern, etliche sonstige
  • Bild-Quellen: —
  • Tondokumente: häufig auf Tonträger

Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.

© Deutsches Volksliedarchiv

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