Im schönsten Wiesengrunde
Ist meiner Heimat Haus,
Da zog ich manche Stunde
Ins Tal hinaus.
Dich mein stilles Tal,
Grüß‘ ich tausendmal!
Da zog ich manche Stunde
Ins Tal hinaus.
Kinderlieder – Album 1
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme
Muß aus dem Tal jetzt scheiden,
Wo alles Lust und Klang;
Das ist mein herbstes Leiden,
Mein letzter Gang.
Dich mein stilles Tal,
Grüß‘ ich tausendmal!
Das ist mein herbstes Leiden,
Mein letzter Gang.
Sterb‘ ich – in Tales Grunde
Will ich begraben sein;
Singt mir zur letzten Stunde
Beim Abendschein:
Dich mein stilles Tal,
Grüß‘ ich tausendmal!
Singt mir zur letzten Stunde
Beim Abendschein.
In den Liederbüchern stehen nur die Strophen 1, 12 und 13 des Original-Gedichts. Darum hier alle Strophen des Originals:
Im schönsten Wiesengrunde
Ist meiner Heimat Haus;
Ich zog zur Morgenstunde
Ins Tal hinaus.
Dich, mein stilles Tal,
Grüß ich tausendmal!
Ich zog zur Morgenstunde
Ins Tal hinaus.
Wie Teppich reich gewoben
Steht mir die Flur zur Schau:
O Wunderbild! – und oben
Des Himmels Blau.
Dich, mein stilles Tal,
Grüß ich tausendmal!
O Wunderbild! – und oben
Des Himmels Blau.
Herab von sonn’ger Halde
Ein frischer Odem zieht;
Es klingt aus nahem Walde
Der Vögel Lied.
Dich, mein stilles Tal,
Grüß ich tausendmal!
Es klingt aus nahem Walde
Der Vögel Lied.
Die Blume winkt dem Schäfer
Mit Farbenpracht und Duft;
Den Falter und den Käfer
Zu Tisch sie ruft.
Dich, mein stilles Tal,
Grüß ich tausendmal!
Den Falter und den Käfer
Zu Tisch sie ruft.
Das Bächlein will beleben
Den heimlich trauten Ort;
Da kommt’s durch Wiesen eben
Und murmelt fort.
Dich, mein stilles Tal,
Grüß ich tausendmal!
Da kommt’s durch Wiesen eben
Und murmelt fort.
Das Fischlein sonnt sich, munter
Schwimmts auf und ab im Tanz:
Rings blinken tausend Wunder
Im Sonnenglanz.
Dich, mein stilles Tal,
Grüß ich tausendmal!
Rings blinken tausend Wunder
Im Sonnenglanz.
Wie schön der Knospen Springen,
Des Taus Kristall im Licht;
Wollt ich es alles singen –
Ich könnt‘ es nicht!
Dich, mein stilles Tal,
Grüß ich tausendmal!
Wollt ich es alles singen –
Ich könnt‘ es nicht!
Kommt, kommt, der Tisch der Gnaden
Winkt reichlich überall;
Kommt, all‘ seid ihr geladen
Ins stille Tal!
Dich, mein stilles Tal,
Grüß ich tausendmal!
Kommt, all‘ seid ihr geladen
Ins stille Tal!
Wie froh sind da die Gäste,
Da ist nicht Leid und Klag;
Da wird zum Friedensfeste
Ein jeder Tag.
Dich, mein stilles Tal,
Grüß ich tausendmal!
Da wird zum Friedensfeste
Ein jeder Tag.
Wie sieht das Aug so helle
Im Buche der Natur;
Der reinsten Freuden Quelle
Springt aus der Flur.
Dich, mein stilles Tal,
Grüß ich tausendmal!
Der reinsten Freuden Quelle
Springt aus der Flur.
Hier mag das Herz sich laben
Am ew’gen Festaltar;
Kommt, bringet Opfergaben
Mit Jubel dar!
Dich, mein stilles Tal,
Grüß ich tausendmal!
Kommt, bringet Opfergaben
Mit Jubel dar!
Müßt‘ aus dem Tal ich scheiden
Wo alles Lust und Klang,
Das wär mein herbstes Leiden
Mein letzter Gang.
Dich, mein stilles Tal,
Grüß ich tausendmal!
Das wär mein herbstes Leiden
Mein letzter Gang.
Sterb‘ ich – in Tales Grunde
Will ich begraben sein;
Singt mir zur letzten Stunde
Beim Abendschein:
Dir mein stilles Tal,
Gruß zum letzten Mal!
Singt mir zur letzten Stunde
Beim Abendschein.
Text: Wilhelm Ganzhorn 1851 – (1818–1880)
Melodie: auf die Melodie „Drei Lilien, drei Lilien“
Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Frauke Schmitz-Gropengiesser: Im schönsten Wiesengrunde (2008). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/im_schoensten_wiesengrunde/
Das Heimatlied „Im schönsten Wiesengrunde“ wurde Mitte des 19. Jahrhunderts vom württembergischen Hobbydichter Wilhelm Ganzhorn auf eine ältere Volksliedweise verfasst. Über Schulliederbücher fand es rasch weite Verbreitung und etablierte sich als eines der prominentesten, im 19. Jahrhundert neu entstandenen „Volkslieder“. Einen besonderen Stellenwert genoss es nach dem Zweiten Weltkrieg bei den Heimatvertriebenen und steht bis heute in der kommerzialisierten „Volksmusik“-Branche hoch im Kurs.
I. Verfasser des Liedtextes war der württembergische Jurist Wilhelm Ganzhorn (1818–1880), Gerichtsaktuar in Neuenbürg und Oberamtsrichter in Aalen, Neckarsulm und Cannstatt. Ganzhorn sammelte Volkslieder – anonym gab er ein „Schwäbisches Volks-Liederbuch“ heraus (Stuttgart 1841) – und schrieb Gedichte, meist im romantischen Volksliedton. Sein „Im schönsten Wiesengrunde“ entstand im November 1851 zur Melodie des Volksliedes „Drei Lilien, drei Lilien“. Der 13strophige Text besingt in stimmungsvollen Bildern die Naturpracht der Heimat, eines „stillen“ (nicht konkret lokalisierten) Tals. Die beiden letzten Strophen haben melancholischen Charakter: Die bedrückende Vorstellung, diesen Ort friedlicher Geborgenheit möglicherweise verlassen zu müssen, mündet in den Wunsch, einst „in Tales Grunde“ begraben zu werden (Edition A).
II. Erstmals veröffentlicht wurde „Im schönsten Wiesengrunde“ im 3. Heft der von Johann Christian Weeber und Friedrich Krauß herausgegebenen „Liedersammlung für die Schule“ (Stuttgart 1852). Gegen den Willen Ganzhorns, der seinen Text zuvor leicht überarbeitet hatte, erschien das Lied hier allerdings nur mit drei Strophen (Str. 1, 12 und 13 der Erstfassung), womit es einen deutlich sentimentalen Akzent erhielt (Edition B). In dieser Form wird das Lied bis heute tradiert. Angestoßen durch die Erstpublikation fand es zunächst vor allem in süddeutschen und Schweizer Schulliederbüchern Aufnahme (u. a. Küsnacht 1854, Schaffhausen 1857, Karlsruhe 1858). Wie hier wurde „Im schönsten Wiesengrunde“ anfänglich häufig ohne Verfasserangabe als vermeintlich anonyme „Volksweise“ publiziert. In der Folge haben an Stelle Ganzhorns auch andere die Liedurheberschaft beansprucht. So behauptete Otto Weddigen, er habe „Im schönsten Wiesengrunde“ 1868/69 mit Bezug auf das Wesertal verfasst (E. Fladt 1922), und Johann Rudolf Weber, ein Lehrer aus Kilchberg bei Zürich, gab an, das Gedicht schon um 1835 geschrieben zu haben.
III. Ende des 19. Jahrhunderts fand „Im schönsten Wiesengrunde“ Eingang in die Chorliteratur. Einen Männerchorsatz schrieb u. a. Wilhelm Förstler, 1885–1912 Leiter des Stuttgarter „Liederkranz“ (Edition C). Das Lied ist in zahlreichen Gebrauchsliederbüchern des 20. Jahrhunderts vertreten, es zählt gemeinhin unter „Die schönsten deutschen Volkslieder“ (so z. B. die von Günter Pössinger hrsg. Sammlung, Stuttgart 1978). Der von Ganzhorn gewählte Liedtitel „Das stille Thal“ wurde dabei teilweise durch den Incipit „Im schönsten Wiesengrunde“ ersetzt (erstmals in: „Stimmt an! Eine Sammlung der beliebtesten Marschlieder und Volksgesänge“, hrsg. von Otto Bahlmann, Leipzig 1914) und fand damit auch auf verschiedenen Liedpostkarten Verbreitung (Abb. 1).
IV. Der Heimwehton, der der dreistrophigen Fassung von „Im schönsten Wiesengrunde“ innewohnt, hat das Lied gerade unter Auswanderern und Auslandsdeutschen beliebt werden lassen (vgl. z. B. „Liederbuch für die deutsche Jugend in Rumänien“, hrsg. von Gottlieb Brandsch, Schäßburg 1925; „Sudetendeutsches Liederbuch“, hrsg. vom Sudetendeutschen Heimatbund, Wien 1926). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Lied von Flüchtlingen und Vertriebenen als Ausdruck der Sehnsucht nach der verlorenen Heimat sehr geschätzt, wie z. B. die Publikation „Singende Heimat Schlesien“ (Goslar 1948; Mitherausgeber war der Schlesische Flüchtlingsdienst) oder das 1968 erschienene Liederbuch der Landsmannschaft der Bessarabien-Deutschen zeigen (Edition D).
V. Als Kontrafakturen von „Im schönsten Wiesengrunde“ entstanden – vor allem im württembergischen Raum – einige Heimatlieder auf bestimmte Orte (u. a. Bühlertal, Holzbronn und Stammheim bei Calw). Andererseits wurde das Wiesengrund-Lied in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch zunehmend als unzeitgemäß empfunden: Im Song „Deutscher Sonntag“ des Liedermachers Franz-Josef Degenhardt (1965 erschienen auf der LP „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“), der die Scheinidylle der Wirtschaftswunderjahre aufs Korn nimmt, dient Ganzhorns Lied als Chiffre für spießbürgerliche Enge und sentimentale Verlogenheit: „Wenn die Bratendüfte wehen, / Jungfraun den Kaplan umstehn, / Der so nette Witzchen macht, / Und wenn er dann so harmlos lacht, / Wenn auf allen Fensterbänken / Pudding dampft, und aus den Schänken / Schallt das Lied vom Wiesengrund, / Und daß am Bach ein Birklein stund. / Alle Glocken läuten mit, / Die ganze Stadt kriegt Appetit. / Das ist dann genau die Zeit, / Dann frier ich vor Gemütlichkeit.“
FRAUKE SCHMITZ-GROPENGIESSER
(September 2008)
Literatur
- Jürg Arnold: Wilhelm Ganzhorn. Dichter des Liedes „Im schönsten Wiesengrunde“ und seine Frau Luise geb. Alber. Leben, Gedichte, Familien, Ahnen. Ostfildern 2004 (Kap. 5: Das Lied „Im schönsten Wiesengrunde“, S. 43–51 u. 297-301).
Editionen und Referenzwerke
- Böhme, Volksthüml. Lieder 1895, S. 210 (Nr. 275).
Weiterführende Literatur
- Werner Thierbach: Wilhelm Ganzhorn. Sein Leben und Wirken. Neckarsulm: Heimatverein 1988.
- E. Fladt: Das stille Tal. („Im schönsten Wiesengrunde“). Der Dichter und sein Lied. In: Deutsche Sängerbundeszeitung 14 (1922), S. 234.
Quellenübersicht
- Ungedruckte Quellen: vergleichsweise wenige Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
- Gedruckte Quellen: überaus häufig in Gebrauchsliederbüchern, etliche sonstige Rezeptionsbelege.
- Bild-Quellen: öfters auf Liedpostkarten
- Tondokumente: sehr viele Tonträger
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Berlin) miteinbezogen.
© Deutsches Volksliedarchiv
weitere Heimatlieder