Kein Feuer, keine Kohle
kann brennen so heiß,
als heimliche Liebe,
von der niemand nichts weiß.
Kinderlieder – Album 1
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme
Keine Rose, keine Nelke
kann blühen so schön,
als wenn zwei verliebte Seelen
beieinander tun stehn.
Setze du mir einen Spiegel
ins Herze hinein,
damit du kannst sehen,
wie so treu ich es mein.
Text: anonym 18. Jahrhundert. Erstmals veröffentlicht 1807 in der von Johann Gustav Gottlieb Büsching (1783-1829) und Friedrich Heinrich von der Hagen (1780-1856) herausgegebenen „Sammlung Deutscher Volkslieder“
Melodie: anonym 2. Hälfte 18. Jahrhundert
Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Tobias Widmaier: Kein Feuer, keine Kohle (2007). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/kein_feuer_keine_kohle/
Das im 19. und 20. Jahrhundert bekannte Liebeslied „Kein Feuer, keine Kohle“ wurde erstmals 1807 in der heute noch geläufigen Form als anonymes „Volkslied“ publiziert. Seine drei Strophen lassen sich als so genannte „Wanderstrophen“ auch in einigen anderen Liedern nachweisen. Die Melodie dürfte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden sein, ist in ihr doch das liedästhetische Zeitideal von Simplizität und Sangbarkeit realisiert.
I. Die früheste Veröffentlichung von Text und Melodie des Liedes „Kein Feuer, keine Kohle“ findet sich 1807 in der von Johann Büsching und Friedrich von der Hagen herausgegebenen „Sammlung Deutscher Volkslieder“ (Edition A). Auf bildhafte Weise werden darin Liebesverhältnisse berührende Themen zur Sprache gebracht, wobei kein unmittelbarer Bezug zwischen den drei mitgeteilten Strophen besteht. Die erste Strophe spricht die emotionalen Erregungen einer Beziehung an, die von den Liebespartnern geheim gehalten wird (oder werden muss), und verwendet dabei eine geläufige Metapher: „Feuerflammen sein nicht so heiß / Als heimliche Liebe die niemand weiß“ lautet fast wörtlich schon ein Stammbuchvers des frühen 17. Jahrhunderts (mitgeteilt von Hoffmann von Fallersleben). Die zweite Strophe besingt (unter Verwendung einer in diesem Liedgenre gängigen Blumenmetapher) die Wonnen des Beisammenseins „verliebte[r] Seelen“. Die dritte Strophe bekundet dem Partner Treue, was sich mit Hilfe eines „ins Herze“ implantierten Spiegels überprüfen lasse. Ob „Kein Feuer, keine Kohle“ so schon im 18. Jahrhundert gesungen wurde oder sich als distinkter Liedtyp im Moment seiner Verschriftlichung und nachfolgenden publizistischen Verbreitung überhaupt erst konstituierte, ist unklar.
II. Auch die Frage nach der Herkunft der Melodie stellt sich in diesem Zusammenhang. Die bisherige Volksliedforschung hat in ihr eine „Volksweise“ gesehen. Tatsächlich besitzt die Melodie mit der Verdoppelung der letzten Liedzeile und dem breiten Melisma auf der letzten Wortsilbe vor der Wiederholung ein stark konstruktives Element: vermutlich das Werk eines unbekannten Komponisten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der dem musikalischen „Volkston“-Konzept anhing.
III. „Kein Feuer, keine Kohle“ fand im 19. Jahrhundert in vielen Gebrauchs- und Studentenliederbüchern Aufnahme. Männerchöre trugen zur Liedpopularisierung wesentlich bei: Neben Friedrich Silchers 1826 veröffentlichter Bearbeitung (op. 7,1) – in der Strophe 1 und 2 ihren Platz getauscht haben (Edition B) – ist hier noch eine Vertonung durch Rupprecht Johannes Dürrner (1810–1859) zu nennen (Edition D), die in der ab 1863 vielfach aufgelegten Sammlung „Regensburger Liederkranz“ erschien. Die bei Dürrner und in einigen Gebrauchsliederbüchern hinzugekommenen drei Strophen (Edition E) stammen aus der Feder von Eduard Fentsch (1812–1877) bzw. Ludwig Steub (1812–1888), die sich als Schriftsteller am „Volksliederstil“ berauschten. In einer Wiener Liedflugschrift aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts findet sich „Kein Feuer, keine Kohle“ sogar auf 11 Strophen erweitert (Edition F).
IV. Strophenumstellungen und Zusatzstrophen gehören zu den Merkmalen von Popularliedern, die im Rezeptionsprozess vielfältigen Umformungen unterliegen. Am Beispiel von „Kein Feuer, keine Kohle“ zeigt sich darüber hinaus die assoziative Verfügbarkeit von Texten in einer primär mündlichen Liedpflege: Strophen oder Strophenteile mit stereotypen Aussagen – wie sie gerade für Liebeslieder kennzeichnend sind – gelangen auf diese Weise in unterschiedliche Liedkontexte. Es ist durchaus möglich, dass „Kein Feuer, keine Kohle“ selbst aus Wanderstrophen gebildet worden ist, die zuvor schon gesungenen Liedern entstammen. Umgekehrt ist es ein Indiz für die im 19. Jahrhundert enorme Popularität von „Kein Feuer, keine Kohle“, dass Strophen daraus in anderen Liedern auftauchen, wie etwa in „Allhier auf dieser Erden“, das sich in einem 1835 aufgezeichneten handschriftlichen Liederbuch findet (Edition C), darüber hinaus jedoch kaum belegt ist.
V. „Kein Feuer, keine Kohle“ lässt sich in vielen Liederbüchern auch des 20. Jahrhunderts nachweisen, so etwa im „Zupfgeigenhansl“, dem zentralen Liederbuch der Jugendbewegung, wo es sich in der ursprünglichen dreistrophigen Fassung unter der Rubrik „Minnedienst“ findet (Edition G). Darüber hinaus ist das Lied ein beliebtes Motiv von Liedpostkarten des frühen 20. Jahrhunderts (Abb. 1). Es war eine mit diesem Lied vertraute Generation, die in den Ersten Weltkrieg zog: Verschiedentlich dokumentiert ist eine Parodie des Liedes, die die Kruppschen 42cm-Geschütze als eine „Geheimwaffe“ besang, die heißer als Feuer und Kohle brenne (Edition H). Eine neuere Liedparodie stammt von Dieter Höss (1967), der darin die damals noch mögliche strafrechtliche Verfolgung homosexueller Beziehungen (§ 175) thematisiert (Edition I). In Herbert Grönemeyers Song „Fanatisch“ (1998 veröffentlicht auf dem Album „Bleibt alles anders“), der von verzehrendem Liebesbegehren handelt, ist die Zeile „Und kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß“ zu hören. Ob das freilich von einer Mehrheit seiner Fans noch als Zitat erkannt wird, darf bezweifelt werden.
TOBIAS WIDMAIER
(September 2007)Editionen und Referenzwerke
- Hoffmann/Prahl 1900, S. 162 (Nr. 768).
- Erk/Böhme 1894, Bd. 2, S. 325f. (Nr. 507).
Weiterführende Literatur
- August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Findlinge. Zur Geschichte deutscher Sprache und Dichtung. Erster Band. Leipzig 1860 (S. 440, Nr. 48 der zitierte Stammbuchvers aus dem 1609–1630 entstandenen Stammbuch Valentin Löws).
Quellenübersicht
- Ungedruckte Quellen: zahlreiche Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
- Gedruckte Quellen: überaus häufig in Gebrauchsliederbüchern, vereinzelt auf Flugschriften, etliche sonstige Rezeptionsbelege
- Bild-Quellen: häufig auf Liedpostkarten
- Tondokumente: viele Tonträger
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Berlin) miteinbezogen.
© Deutsches Volksliedarchiv
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