Kein schöner Land in dieser Zeit

Kein schöner Land in dieser Zeit,
Als hier das unsre weit und breit,
Wo wir uns finden,
Wohl untern Linden,
Zur Abendzeit!
Wo wir uns finden,
Wohl untern Linden,
Zur Abendzeit!

Da haben wir so manche Stund‘
Gesessen wohl in froher Rund,
Und taten singen,
Die Lieder klingen
Im Eichengrund!
Und taten singen,
Die Lieder klingen
Im Eichengrund!

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Kinderlieder – Album 1
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme

Daß wir uns hier in diesem Tal
Noch treffen so viel hundertmal,
Gott mag es schenken,
Gott mag es lenken,
Der hat die Gnad‘.
Gott mag es schenken,
Gott mag es lenken,
Der hat die Gnad‘.

Jetzt, Brüder, eine gute Nacht,
Der Herr im hohen Himmel wacht!
In seiner Güten
Uns zu behüten,
Ist er bedacht!
In seiner Güten
Uns zu behüten,
Ist er bedacht!

Text und Melodie: Anton Wilhelm von Zuccalmaglio 1840 – (1803-1869), Melodie nach alten Volksweisen

Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Waltraud Linder-Beroud, Tobias Widmaier: Kein schöner Land in dieser Zeit (2007). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/kein_schoener_land_in_dieser_zeit/

„Kein schöner Land in dieser Zeit“ ist eines der gegenwärtig bekanntesten und beliebtesten Volkslieder. Populär wurde das in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandene Abendlied im frühen 20. Jahrhundert durch die Jugend- und Singbewegung.

I. Unter dem Titel „Abendlied“ erschien „Kein schöner Land in dieser Zeit“ erstmals 1840 im zweiten Band der Sammlung „Deutsche Volkslieder mit ihren Singweisen“ (Edition A). Die Herkunftsangabe „Vom Niederrhein“ war allerdings eine literarische Fiktion: denn der Herausgeber der Sammlung, Anton Wilhelm von Zuccalmaglio (1803–1869), hatte den Text – wie in einer Reihe weiterer Fälle – im Sinne eines romantischen Volksliedkonzeptes selbst geschrieben, dabei allerdings einige Anleihen bei älteren Liedern gemacht. Der Liedtext entfaltet in „Wir“-Form und unter Verwendung gängiger Topoi das Idealbild freundschaftlicher Zusammenkünfte an Sommerabenden in freier Natur, bei denen gemeinsam gesungen wird. Die Erfüllung der Hoffnung auf wiederholte (männliche) Sängerrunden unter gleichen Gegebenheiten wird Gottes Gnade anheim gestellt, und unter seinem Schutz soll auch die „gute Nacht“ stehen, die man in der abschließenden Strophe einander wünscht.

II. Weit mehr noch als dem Liedtext haftet der Melodie ein „Schein des Bekannten“ an, der einem musikästhetischen Konzept des späten 18. Jahrhunderts zufolge gelungene Lieder „im Volkston“ auszeichne. Zuccalmaglio griff in einzelnen Melodiepassagen auf unterschiedliche Vorbilder zurück, etwa die beiden älteren Liebeslieder „Ade, mein Schatz, ich muß nun fort“ und „Ich kann und mag nicht fröhlich sein“. Volksliedforscher des 19. Jahrhunderts standen solchen „Fälschungen“ weitgehend kritisch gegenüber. Doch fanden viele der stilisierten Volkslieder Zuccalmaglios eine breite Rezeption – wobei dies bei „Kein schöner Land“ erst im frühen 20. Jahrhundert der Fall ist – und zudem namhafte Fürsprecher unter Künstlern (u. a. Johannes Brahms).

III. Nach Veröffentlichung von „Kein schöner Land“ 1912 in einem Wandervogel-Liederbuch (Edition B) etablierte es sich rasch als Schlusslied, das Wandervögel neben „Ade zur guten Nacht“ am abendlichen Lagerfeuer sangen. Durch die Jugend- und Singbewegung wurde das Lied weiter verbreitet. Von da aus ging es in unzählige Gebrauchs-, Schul- und Chorliederbücher ein und fehlt bis heute in kaum einer Sammlung traditioneller Lieder (Edition C). Eine sozialistische Umdichtung findet sich 1929 in einem Liederbuch der Arbeiterjugend (Edition D). Aus der gleichen Zeit ist eine geistliche Fassung überliefert, die offenbar in einer religiösen Frauengemeinschaft gesungen wurde (Edition E): in dieser werden nämlich explizit die „Schwestern“, nicht die „Brüder“ angesprochen. In der ergänzten fünften Strophe wird das Leben und Sterben unter den Schutz Christi – im biblisch bezeugten Bild der Sonne – gestellt.

IV. Die enorme Popularität von „Kein schöner Land in dieser Zeit“ im 20. Jahrhundert lässt sich an einer Reihe weiterer Faktoren ablesen. So wurde das Lied z.B. in einigen Chorwerken adaptiert (Hans Lang: Kein schöner Land. Volksliederspiel für zweistimmigen Jugendchor, zwei Sprecher und 3–4 Instrumente, 1941; Otto Jochum: An die Heimat. Variationen-Suite über das Volkslied „Kein schöner Land“, op. 152). Zeitkritische Bearbeitungen haben u. a. der Liedermacher Dieter Süverkrüp („Ein schönes Land“, 1963) und 1980 die Folkrock-Gruppe Ougenweide vorgelegt (Edition F). Der Liedincipit „Kein schöner Land“ hat sich verselbständigt und dient vielfach als Titel von Tonträgern und Liederbüchern sowie einer seit 1989 ausgestrahlten Fernsehserie, die Musiklandschaften porträtiert (Moderator: Günter Wewel). Darüber hinaus hat er – im Sinne einer Anspielung auf aktuelle deutsche Zustände und Befindlichkeiten – verschiedentlich als Sachbuchtitel Verwendung gefunden, etwa bei Emanuel Eckhart (Kein schöner Land. Ein deutscher Umweltaltlas, 1979) und Heribert Prantl (Kein schöner Land. Die Zerstörung der sozialen Gerechtigkeit, 2005).

WALTRAUD LINDER-BEROUD
TOBIAS WIDMAIER
(November 2005 / Juni 2007)

Literatur

  • Johannes Koepp: Kein schöner Land in dieser Zeit. In: Das deutsche Volkslied. Zeitschrift für seine Kenntnis und Pflege 37 (1935), S. 73–75.

Editionen und Referenzwerke

  • Böhme, Volksthüml. Lieder 1895, S. 190 (Nr. 243).

Quellenübersicht

  • Ungedruckte Quellen: kaum Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: überaus häufig in Gebrauchsliederbüchern (vorwiegend 20. Jahrhundert), etliche sonstige Rezeptionsbelege
  • Bild-Quellen: —
  • Tondokumente: sehr viele Tonträger (über 100)

Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Berlin) miteinbezogen.

© Deutsches Volksliedarchiv

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