Macht hoch die Tür

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
es kommt der Herr der Herrlichkeit,
ein König aller Königreich,
ein Heiland aller Welt zugleich,
der Heil und Leben mit sich bringt;
derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
mein Schöpfer reich von Rat.

Er ist gerecht, ein Helfer wert,
Sanftmütigkeit ist sein Gefährt,
sein Königskron ist Heiligkeit,
sein Zepter ist Barmherzigkeit;
all unsre Not zum End er bringt,
derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
mein Heiland groß von Tat.

Weihnachtslieder-CD zum Mitsingen

Weihnachtslieder – Album 2
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme

O wohl dem Land, o wohl der Stadt,
so diesen König bei sich hat!
Wohl allen Herzen insgemein,
da dieser König ziehet ein!
Er ist die rechte Freudensonn,
bringt mit sich lauter Freud und Wonn.
Gelobet sei mein Gott,
mein Tröster früh und spat.

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
Eur Herz zum Tempel zubereit‘;
die Zweiglein der Gottseligkeit
steckt auf mit Andacht, Lust und Freud;
so kommt der König auch zu euch,
ja Heil und Leben mit zugleich.
Gelobet sei mein Gott,
voll Rat, voll Tat, voll Gnad.

Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
meins Herzens Tür dir offen ist;
ach zeuch mit deiner Gnade ein,
dein Freundlichkeit auch uns erschein.
Dein heilger Geist uns führ und leit
den Weg zur ewgen Seligkeit.
Dem Namen dein, o Herr,
sei ewig Preis und Ehr.

Text: Georg Weissel 1623 – (1590-1635)
Melodie: Johann Anastasius Freylinghausen 1704 – (1670–1739)

Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Michael Fischer: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit (2007). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/macht_hoch_die_tuer_die_tor_macht_weit/

„Macht hoch die Tür“ gehört ohne Zweifel zu den bekanntesten Adventsliedern. Es ertönt auch außerhalb der christlichen Gottesdienste als gesungenes Lied oder in instrumentalen Bearbeitungen. Der Text stammt von Georg Weissel (1590–1635), einem lutherischen Theologen des 17. Jahrhunderts. Die heute bekannte Vertonung im 6/4-Takt wurde zum erstenmal im Jahr 1704 gedruckt.

I. Der Gesang ist ein Lied zum ersten Advent. Als Evangelium ist in der lutherischen Liturgie die Perikope vom Einzug Jesu in Jerusalem (Mt 21,1-9) vorgesehen. Dieser Einzug wurde in der christlichen Tradition mit dem Psalm 24 in Verbindung gebracht. Dort heißt es: „Machet die Tore weit und die Türen der Welt hoch, dass der König der Ehren einziehe!“. In der ersten Strophe des Liedes wird diese Thematik verarbeitet. Strophen 2 und 3 besingen den einziehenden Herrscher und charakterisieren ihn mit Worten, die aus der alttestamentlichen Verheißung des Messias bekannt sind. Strophe 4 knüpft an die Aufforderung der ersten Strophe an und wiederholt das Liedinitium „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“. Zugleich soll sich der Sänger „mit Andacht, Lust und Freud auf die Ankunft Christi“ vorbereiten. In der letzten Strophe ändert sich die Kommunikationssituation grundlegend: Nun wird Christus im Gebet angesprochen, er möge mit seiner Gnade und mit seinem Geist in das Herz des Menschen einziehen.

II. Theologischer Hintergrund des Liedes ist die Lehre vom mehrfachen Advent Christi. Hierbei werden folgende Aspekte entfaltet: Christi Advent in der Geschichte (seine Menschwerdung), seine Ankunft im Herzen (geistlich) und schließlich – im Lied eher indirekt in Strophe 5 angedeutet – die ewige Ankunft in Herrlichkeit (eschatologisch). Der vierte Aspekt der christlichen Auslegungsgeschichte, die Ankunft im Abendmahl (sakramental), wird hingegen nicht eigens thematisiert.

III. Georg Weissel verfasste das Lied zur Einweihung einer Kirche im Jahr 1623. Publiziert wurde es erstmals 1642 in der Sammlung „Preussische Fest-Lieder“ (Edition A). Vertont wurde es dort als fünfstimmiger Chorsatz (SSATB) von Johann Stobäus (1580–1646). Im 17. und 18. Jahrhundert entstanden noch weitere Melodien zu diesem Lied, langfristig durchgesetzt hat sich jedoch jene, die 1704 zum erstenmal im Gesangbuch von Johann Anastasius Freylinghausen (1670–1739) erschien (Edition B). Diese bewegte Weise im Dreier-Metrum wird bis heute in leicht veränderter Form gesungen.

IV. Rezeptionsgeschichtlich auffallend ist, dass das Lied erst spät – etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts – in evangelischen Kirchengesangbüchern weit verbreitet ist. Noch 1829 wurde es in dem von Friedrich Schleiermacher herausgegebenen „Gesangbuch zum gottesdienstlichen Gebrauch für evangelische Gemeinen“ im Sinne der Aufklärung bearbeitet (Edition C). Interessant ist dort die Melodiezuweisung: Das Lied mit dem veränderten Incipit „Macht hoch das Thor, die Pforten weit!“ sollte auf die Weise von „Vater unser im Himmelreich“ gesungen werden.

V. Im 20. Jahrhundert wurde das Lied in das Kernrepertoire christlicher Gesangbücher aufgenommen. Ausgehend von der evangelischen Rezeption (Edition D) übernahmen es allmählich auch katholische Bücher. Wie bei vielen anderen Liedern war die Sammlung „Kirchenlied“ (1938) das rezeptionsauslösende Moment. Neben der kirchlichen Rezeption gibt es auch eine in Gebrauchs- und Weihnachtsliederbüchern, vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Anfang der 1980er Jahre wurde die erste Liedstrophe auch parodiert und politisch umgedeutet (Schallplatte „Verschärfte Weihnachten“ der Gruppe „Kraftzwerg“). Dieser Text wandte sich gegen die Räumung von besetzten Häusern durch die Polizei. Die Parodie belegt, dass das Adventslied damals weit über das kirchliche Milieu hinaus bekannt war.

MICHAEL FISCHER
(Februar 2006 / Mai 2007)

Literatur

  • Christa Reich (Bearbeitung: Walter Wiesli); Andreas Marti: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. In: Ökumenischer Liederkommentar zum Katholischen, Reformierten und Christkatholischen Gesangbuch der Schweiz. Freiburg (Schweiz) 2000ff., o.S. (vier Seiten).
  • Hort Nitschke; Alfred Stier: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. In: Handbuch zum Evangelischen Kirchengesangbuch. Bd. III,1: Liederkunde. Göttingen 1970, S. 130ff.

Editionen und Referenzwerke

  • Fischer/Tümpel 1906, Bd. 3, S. 8f. (Nr. 11).
  • Zahn 1890, Bd. 3, S. 552ff. (Nr. 5844–5850).
  • Fischer 1879, Bd. 2, S. 44.

Weiterführende Literatur

  • Helene Werthmann: Studien zu den Adventsliedern des 16. und 17. Jahrhunderts. Zürich 1963.

Quellenübersicht

  • Ungedruckte Quellen: kaum Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: häufig in Gebrauchsliederbüchern, sehr häufig in Kirchengesangbüchern
  • Bild-Quellen: —
  • Tondokumente: sehr viele Tonträger (über 200)

Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Darüber hinaus wurden auch die Bestände des Gesangbucharchivs Mainz sowie (hinsichtlich der Tonträger) des Deutschen Musikarchivs Berlin miteinbezogen.

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