Nun danket alle Gott

Nun danket alle Gott
mit Herzen, Mund und Händen,
der große Dinge tut
an uns und allen Enden,
der uns von Mutterleib
und Kindesbeinen an
unzählig viel zugut
und noch jetzund getan.

Kinderlieder-CD zum Mitsingen

Kinderlieder – Album 1
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme

Der ewigreiche Gott
woll uns bei unserm Leben
ein immer fröhlich Herz
und edlen Frieden geben
und uns in seiner Gnad
erhalten fort und fort
und uns aus aller Not
erlösen hier und dort.

Lob, Ehr und Preis sei Gott,
dem Vater und dem Sohne
und dem, der beiden gleich
im höchsten Himmelsthrone,
dem dreimal einen Gott,
wie es ursprünglich war
und ist und bleiben wird
jetzund und immerdar.

Text: Martin Rinckart 1636 – (1586–1649)
Melodie: Johann Crüger 1647 – (1598-1662)

Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Michael Fischer: Nun danket alle Gott (2007). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/nun_danket_alle_gott/

„Nun danket alle Gott“ gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Kirchenliedern, das heute über die Konfessionsgrenzen hinweg als feierlicher Lob- und Dankgesang verbreitet ist. Gedichtet wurde das dreistrophige Dankgebet von Martin Rinckart in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Später wurde es nicht nur als allgemeines Danklied rezipiert, sondern auch militaristisch und nationalistisch vereinnahmt.

I. Martin Rinckart (1586–1649), Theologe, Musiker und Schriftsteller, dichtete seinen Gebetstext „Nun danket alle Gott“ im Rückgriff auf das biblische Buch Jesus Sirach. Strophen 1 und 2 paraphrasieren die Verse 50,24ff. der genannten Schrift. Angehängt hat Rinckart eine Gloria-Patri-Strophe (beruhend auf der sogenannten „Kleinen Doxologie“, dem liturgischen Preis der Dreifaltigkeit). Im Druck erschien der Text erstmals im „IESV-Hertz-Büchlein“ (Leipzig 1636), einem Gebet- und Erbauungsbuch von Rinckart (Edition A). Dort sind zunächst die Bibelverse vorangestellt, gefolgt von dem Gedicht ohne Stropheneinteilung, Noten oder Melodieangaben. Bestimmt war es als Tischgebet.

II. Das Lied gehört zur Gruppe der christlichen Dank- und Bittlieder. Die erste Strophe hat einen adhortativen Charakter: „Nun danket alle Gott“ lautet die Aufforderung. Gepriesen wird sodann die Fürsorge Gottes für die Menschen. In der zweiten Strophe wechselt der Dank zur Bitte. Erbeten werden geistliche Güter, nämlich „ein fröhlich Herz“, „edler Frieden“ und die Gnade Gottes. Zuletzt wird der Aspekt der Erlösung aus aller zeitlichen und ewigen Not angesprochen. Die Ortsbestimmung „dort“ bezieht sich also auf das Jenseits, konkret geht es um die Bewahrung vor der Höllenstrafe und um die Aufnahme in den Himmel.

III. Die breite Rezeption des Liedes beginnt mit der Übernahme in das Gesangbuch „Praxis pietatis melica“ (Berlin 1647). Dort hat es die heute noch gesungene Melodie von Johann Crüger (Edition B) erhalten. Allerdings wurde die Weise im Laufe der Zeit leicht geändert und rhythmisch geglättet. In neueren Publikationen seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist in der Regel wieder die rhythmische Originalgestalt der Melodie abgedruckt, zuweilen auch zusammen mit der isometrischen Fassung. Eine Textvariante mit eingefügter Bittstrophe bietet das Hannoversche Gesangbuch von 1657 (Edition C), die sich vor allem im norddeutschen Raum verbreitete. In der Aufklärung erfuhr das Lied im Berliner Gesangbuch von 1780 eine Bearbeitung. Dabei wurde in der dritten Strophe der Skopus geändert: Handelt die Strophe Rinckarts vom Geheimnis der Trinität, wird im ausgehenden 18. Jahrhundert der Akzent auf das Erbarmen, die Größe und Güte Gottes gelegt (Edition D).

IV. Im evangelischen Kulturraum wurde das Lied nahezu ohne Unterbrechung in Kirchengesangbüchern abgedruckt (Edition G), während im Katholizismus seine Rezeption – von wenigen Ausnahmen abgesehen – erst mit dem Einheitsgesangbuch „Gotteslob“ (1975) einsetzt. Seit dieser Zeit erfreut es sich jedoch großer Beliebtheit und wird wie bei den Protestanten in feierlichen Gottesdiensten (insb. bei Dankfesten und am Jahresschluss) gesungen. Der Text bleibt dabei stabil, auch die traditionelle und symbolträchtige Dreistrophigkeit (Bezug zur Trinitat) wird beibehalten. Breit überliefert ist das Lied auch in Gebrauchsliederbüchern des 19. und 20. Jahrhunderts, ebenso in Soldatenliederbüchern. Der große Bekanntheitsgrad des Liedes zeigt sich auch in harmlosen Parodien, etwa in dem Kinderrein „Nun danket alle Gott, die Schule macht bankrott“ (Edition H). Möglicherweise erinnert dieser Reim auch daran, dass das Lied in der Schule verwendet wurde.

V. Für die Rezeptionsgeschichte ist die nationale und nationalistische Vereinnahmung des Liedes bedeutend. Schon im Siebenjährigen Krieg wurde es von Soldaten nach einem Sieg gesungen („Choral von Leuthen“). Später wurde es mehrfach umgedichtet, um es auf entsprechende militärische oder patriotische Anlässe beziehen zu können. Die im Leipziger Kommersbuch von 1822 abgedruckte Fassung stellt beispielsweise einen Zusammenhang mit den Befreiungskriegen her (Edition E). „Nun danket alle Gott“ erklang 1870 in Sedan (Edition F), 1914 bei der Mobilmachung in Berlin und bei Tannenberg. Im März 1933 spielte der Choral auch beim sogenannten „Tag von Potsdam“ im Rahmen der nationalsozialistischen Machtübernahme eine bezeichnende Rolle. Demgegenüber stellte Bert Brecht in seinen im gleichen Jahr entstandenen „Hitlerchorälen“ eine Parodie des Liedes „Nun danket alle Gott“ an den Anfang, um seiner Kritik am NS-Staat Ausdruck zu verleihen.

VI. Auch an den musikalischen Verarbeitungen der Melodie durch verschiedene Komponisten lässt sich ablesen, wie die religiöse und patriotische Affirmation gerade im 19. Jahrhundert Hand in Hand ging. Vertont bzw. bearbeitet wurde das Lied beispielsweise von Johann Sebastian Bach (Kantate BWV 192), Felix Mendelssohn-Bartholdy (Symphonie Nr. 2 „Lobgesang“), Franz Liszt (Orgelchoral) und Max Reger (Orgelkomposition „Siegesfeier“ op. 145,7). Andererseits bezog sich wiederum der im KZ Theresienstadt inhaftierte Komponist Viktor Ullmann in seiner 7. Klaviersonate (Theresienstadt 1944) auf die erste Melodiezeile des Liedes. Zusammen mit dem B-A-C-H-Motiv symbolisiert der Choral hier die Sphäre des Deutschen und des Nationalprotestantischen.

MICHAEL FISCHER
(Januar 2006 / Oktober 2007)

Literatur

  • Siegmar Keil: Der „Choral von Leuthen“ – ein preußisch-deutscher Mythos. In: Die Tonkunst 1 (2007), Nr. 4, S. 442–449.
  • Siegmar Keil: Martin Rinckarts „Nun danket alle Gott“ in unterschiedlichen Text- und Melodiefassungen. In: Forum Kirchenmusik 58 (2007), Nr. 1 (Jan./Febr.), S. 4–13.
  • Siegmar Keil: „Nun danket alle Gott“ – ein Kirchenlied als Inspirationsquell. In: Die Tonkunst online. Ausgabe 0510 (1. Oktober 2005). http://www.die-tonkunst.de/dtk-archiv/pdf/0510-nun_danket_alle_gott.pdf (Stand: 3. Oktober 2007).
  • Bernhard R. Kroener: „Nun danket alle Gott.“ Der Choral von Leuthen und Friedrich der Große als protestantischer Held. Die Produktion politischer Mythen im 19. und 20. Jahrhundert. In: „Gott mit uns“. Nation, Religion und Gewalt im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Hrsg. von Gerd Krumeich und Hartmut Lehmann. Göttingen 2000, S. 103–134.
  • Werner Merten: „Nun danket alle Gott“. In: Handbuch zum Evangelischen Kirchengesangbuch. Liederkunde. Zweiter Teil. Hrsg. von Joachim Stalmann und Johann Heinrich. Göttingen 1990, S. 140–143.

Editionen und Referenzwerke

Quellenübersicht

  • Ungedruckte Quellen: kaum Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: sehr häufig in Kirchengesangbüchern, sehr häufig in Gebrauchsliederbüchern, vereinzelt auf Flugschriften, etliche sonstige Rezeptionsbelege
  • Bild-Quellen: gelegentlich auf Liedpostkarten
  • Tondokumente: sehr viele Tonträger (über 250)

Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Darüber hinaus wurden auch die Bestände des Gesangbucharchivs Mainz sowie (hinsichtlich der Tonträger) des Deutschen Musikarchivs Berlin miteinbezogen.

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