O Tannenbaum, o Tannenbaum,
Wie grün sind deine Blätter!
Du grünst nicht nur zur Sommerzeit,
Nein auch im Winter wenn es schneit.
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
Wie grün sind deine Blätter!
Weihnachtslieder – Album 2
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
Du kannst mir sehr gefallen!
Wie oft hat nicht zur Weihnachtszeit
Ein Baum von dir mich hoch erfreut!
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
Du kannst mir sehr gefallen!
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
Dein Kleid will mich was lehren:
Die Hoffnung und Beständigkeit
Gibt Trost und Kraft zu jeder Zeit.
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
Dein Kleid will mich was lehren.
Text: Ernst Anschütz 1824 – (1780–1861) auf der Grundlage des Liebesliedes „O Tannenbaum“ (1820) von August Zarnack (1777–1827)
Melodie: August Zarnack 1820 – (1777–1827) nach der bekannten Melodie „Es lebe hoch, es lebe hoch, der Zimmermannsgeselle“
Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Tobias Widmaier: O Tannenbaum (2007). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/o_tannenbaum/
„O Tannenbaum“ ist das gegenwärtig wohl bekannteste säkulare deutsche Weihnachtslied. Erstmals veröffentlicht worden ist es 1824 in einem Schulliederbuch als Umdichtung eines wenige Jahre zuvor entstandenen Liebeslieds, dessen erste Strophe beibehalten wurde. Zahlreiche Parodien belegen die Popularität beider „Tannenbaum“-Lieder. Das Weihnachtslied wurde in viele Sprachen übersetzt.
I. Das Liebeslied „O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie treu sind deine Blätter“ wurde von August Zarnack (1777–1827), Lehrer und Direktor des Potsdamer Militärwaisenhauses, auf eine schon vorhandene Melodie geschrieben und erschien 1820 in seiner Sammlung „Deutsche Volkslieder mit Volksweisen für Volksschulen“ (Edition A). Zu Beginn des als Liebesklage eines Mannes angelegten Liedes wird der Tannenbaum als Sinnbild der Treue beschworen, die im Kontrast steht zur Untreue des in der zweiten Strophe angesprochenen „Mädeleins“, dessen „falsches“ und flatterhaftes Wesen die beiden Folgestrophen durch weitere der Natur entlehnte Bilder umschreiben. Zarnack knüpfte hier an eine schon ältere Tradition einschlägiger Lieder an, in denen der Tannenbaum aufgrund seiner immergrünen Nadeln – aber auch anderer Eigenschaften – für bestimmte Werte symbolhaft einstand (vgl. etwa die 1642 in München verlegte Flugschrift „Ein schönes Newes Lied: Der Geistliche Dannebaum genannt“ mit dem Incipit „O Dannebaum / O Dannebaum / Holdselig ist dein Nam“). Die Melodie übernahm Zarnack von dem Lied „Es lebe hoch, es lebe hoch, der Zimmermannsgeselle“ aus dem seinerzeit verbreiteten, seit 1799 mehrfach aufgelegten „Mildheimischen Liederbuch“.
II. 1824 veröffentlichte der Leipziger Lehrer Ernst Anschütz (1780–1861) in seinem „Musikalischen Schulgesangbuch“ eine mehr auf den Kindermund zugeschnittene Umdichtung des Tannenbaum-Liedes von Zarnack: aus dem Liebeslied machte er – unter Beibehaltung der ersten Strophe – ein Weihnachtslied (Edition B). Es handelt sich wohl um das erste Lied, das einen Konnex zwischen Tannenbaum und Weihnachtsfest herstellt. Mit der Herausbildung spezifisch bürgerlicher Weihnachtsbräuche hielt um diese Zeit auch der geschmückte Weihnachtsbaum in den Wohnstuben Einzug. Der heute geläufige modifizierte Liedbeginn „O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter“ ist im 19. Jahrhundert noch nicht, dann aber zunehmend belegt.
III. Die Rezeptionsgeschichte der beiden Tannenbaum-Lieder verlief unterschiedlich. Bis zum Ersten Weltkrieg war das Liebeslied in Gebrauchsliederbüchern häufiger vertreten als das Weihnachtslied, eine Tendenz, die sich in der Folge rasch verkehrte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Lied mit Zarnacks Text nur noch sporadisch publiziert, das Weihnachtslied hingegen erfuhr nun erst seine breiteste Streuung, die bis in die Gegenwart anhält. Die beiden Lieder sind bis ins 20. Jahrhundert hinein kaum spezifischen Singmilieus oder Trägergruppen zuzuordnen. So findet sich das Weihnachtslied etwa auch in Studentenliederbüchern. Vor diesem Hintergrund lassen sich Parodien des Tannenbaum-Liedes, sofern sie keine weitergehenden textlichen Referenzen haben, nicht umstandslos auf bloß einen der beiden Vorläufertypen zurückführen.
IV. Schon früh sind entsprechende Umdichtungen auszumachen. In den „Liedern eines politischen Tagwächters“ (1843) des Vormärz-Dichters Ernst Ortlepp (1800–1864) findet sich etwa ein zur Tannenbaum-Melodie zu singender Liedtext („O Eichenbaum“) mit ironischen Anspielungen auf die damalige Lage im Deutschen Reich (Edition C); und Adolf Glaßbrenner schrieb anlässlich der gescheiterten Revolution 1848/49 zur gleichen Melodie das Gedicht „Der Baum der Freiheit“ („O Freiheitsbaum“), worin er kundtat, dass dieser „deutsche“ Baum „stets junge Triebe“ entwickle, auch wenn er von Fortschrittsfeinden mit „scharfem Beil“ attackiert werde. In studentischen Kreisen entstand zur Tannenbaum-Weise eine Reihe neuer Liedtexte, u. a. „Des Morgens schmeckt der Branntewein“ (Edition D). Auf die gleiche Melodie wurde auch das im 19. Jahrhundert populäre Studentenlied “ Gott grüß dich, Bruder Straubinger“ sowie das Scherzlied „Das neue Lied, das neue Lied von dem versoffnen Fahnenschmied“ gesungen.
V. Auch international wurde die Tannenbaum-Melodie adaptiert. Das zu Beginn des amerikanischen Bürgerkriegs, im April 1861, von James Ryder Randall (1839–1908) geschriebene Gedicht „Maryland, My Maryland“ erschien schon wenig später in einer Vertonung des deutschstämmigen Charles W. A. Ellerbrock als klavierbegleitetes Lied, ein schlichtes Arrangement der Tannenbaum-Weise, der sich in der Folge die Liedpropaganda des Bürgerkriegs vielfach bediente. 1939 wurde „Maryland, My Maryland“ offizieller „State Song“ des US-Bundesstaates Maryland. In London schrieb 1889 Jim Connell (1852–1929) das Arbeiterlied „The Red Flag“, das mit der Tannenbaum-Melodie im 20. Jahrhundert zu einer der bekanntesten Hymnen der internationalen Arbeiterbewegung wurde (zu beiden Liedern vgl. weiterführenden Kommentar). Neben den bloßen Melodie-Adaptionen fand das Weihnachtslied in übersetzter Form in vielen Ländern Aufnahme. Von ihm gibt es gleich mehrere unterschiedliche englische Versionen – etwa „O Christmas Tree“ (1926) von H. Brueckner (Edition G) – und mit „Mon beau sapin“ eine französische Fassung. Darüber hinaus wird das Lied in manchen Ländern auch in der Originalsprache geschätzt. In einem neueren japanischen Liederbuch ist das deutsche Weihnachtslied sogar in einer lautschriftlichen Transkription wiedergegeben (Abb. 2). Einer gewissen Beliebtheit erfreut sich das weihnachtliche „O Tannenbaum“-Lied auch in den USA, wo es im Herbst 2001 als „O Taliban“ eine gegen Präsident Bush gemünzte und im Internet verbreitete Parodie erfuhr (Edition I).
VI. Zahlreiche deutschsprachige Liedparodien sind für das 20. Jahrhundert belegt. Unter der Flut der 1914–1918 publizierten Kriegslieder findet sich u. a. auch ein „Hindenburglied“ („O Hindenburg! O Hindenburg! Wie schön sind deine Siege!“) zur Tannenbaum-Melodie (Edition E), eine einschlägige Liedpostkarte erschien zur „Kriegsweihnacht“ 1916 (Abb. 1). Nach Kriegsende und Abdankung des Kaisers besang man letzteren mit dem Spottlied „O Tannenbaum, o Tannenbaum, der Kaiser hat in Sack gehaun“ (Edition F). Viele Parodien von „O Tannenbaum“ wurden in jüngerer Zeit aus der Singpraxis von Kindern aufgezeichnet (Edition H). Den hohen Bekanntheitsgrad des Weihnachtsliedes macht sich auch die Werbewirtschaft immer wieder zu Nutze (Abb. 3).
TOBIAS WIDMAIER
(November 2007)
Literatur
- Tobias Widmaier: „ Maryland, My Maryland“ und „The Red Flag“ – Zur internationalen Rezeption der „O Tannenbaum“-Melodie (November 2007). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <www.liederlexikon.de/lieder/o_tannenbaum/liedkommentar.pdf>
- Erich Sepp: O Tannenbaum, o Tannenbaum. Zur Überlieferungsgeschichte eines Weihnachtsliedes. In: Volksmusik in Bayern 23 (2006), S. 49–52.
- Christian Schmid: „O Tannenbaum …“. Zum Tannenbaumlied im Liederbuch von Conrad Michel [1763]. In: Singt und spielt. Schweizer Blätter für klingende Volkskunde 73 (2006), S. 81-92.
- Hoffmann/Prahl 1900, S. 203 (Nr. 957).
- Böhme, Volksthüml. Lieder 1895, S. 474f. (Nr. 638).
- Erk/Böhme 1893, Bd. 1, S. 548 (Nr. 176).
Quellenübersicht
- Ungedruckte Quellen: etliche Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
- Gedruckte Quellen: als Liebeslied sehr häufig, als Weihnachtslied überaus häufig in Gebrauchsliederbüchern, sehr selten auf Liedflugschriften, viele sonstige Rezeptionsbelege
- Bild-Quellen: Weihnachtslied sehr oft auf Liedpostkarten
- Tondokumente: sehr viele Tonträger (nur Weihnachslied)
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Berlin) miteinbezogen.
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