Wir sind durch Deutschland gefahren,
Vom Meer bis zum Alpenschnee,
Wir haben noch Wind in den Haaren,
Den Wind von Bergen und Seen,
Wir haben noch Wind in den Haaren,
Den Wind von Bergen und Seen.
Kinderlieder – Album 1
Wiebke Hoogklimmer – Altstimme
In den Ohren das Brausen vom Strome,
Der Wälder raunender Sang,
Das Geläut von den Glocken der Dome,
Der Felder Lerchengesang,
Das Geläut von den Glocken der Dome,
Der Felder Lerchengesang.
In den Augen das Leuchten der Sterne,
Das Flimmern der Heidsonnenglut.
Und tief in der Seele das Ferne,
Das Sehnen das nimmermehr ruht,
Und tief in der Seele das Ferne,
Das Sehnen das nimmermehr ruht.
Und du, Kamerad, mir zur Seite,
So fahren wir durch das Land,
Wir fahren die Läng und die Breite
Durch Regen und Sonnenbrand,
Wir fahren die Läng und die Breite
Durch Regen und Sonnenbrand.
oder:
So sind wir durch Deutschland gefahren,
Vom Meer bis zum Alpenschnee,
Wir werden noch weiter fahren,
Um neue Lande zu sehn,
Wir werden noch weiter fahren,
Um neue Lande zu sehn!
Text und Melodie: aus der Zeit der Jugendbewegung um 1930, eventuell von Walter Gättke (1896-1967)
Ein ausführlicher Text zur Entstehungsgeschichte vom Forschungsprojekt des Deutschen Volksliedarchivs:
Tobias Widmaier: Wir sind durch Deutschland gefahren (2012). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
http://www.liederlexikon.de/lieder/wir_sind_durch_deutschland_gefahren/
Das vermutlich der bündischen Jugendbewegung entstammende Lied „Wir sind durch Deutschland gefahren“ ist ab 1936 zunächst in Schulliederbüchern belegt. Breitere Rezeption hat es erst nach dem Zweiten Weltkrieg gefunden.
I. Im Lied „Wir sind durch Deutschland gefahren“ wird das Erlebnis großer Wanderreisen besungen, wie sie Gruppen der bündischen Jugendbewegung vielfach unternommen haben. Der bzw. die Urheber von Text und Melodie sind nicht bekannt, Form und Inhalt des Liedes lassen auf eine Entstehung in den 1920er oder frühen 1930er Jahren schließen. Publiziert wurde „Wir sind durch Deutschland gefahren“ nach bisherigem Kenntnisstand vor 1945 ausschließlich in Schulliederbüchern. Der bislang früheste ermittelte Liedbeleg findet sich in einem vom NS-Lehrerbund Gau Südhannover-Braunschweig 1936 herausgegebenen Schulliederbuch (Edition A). Zeitzeugenbefragungen zufolge wurde das Lied auch im Bund Deutscher Mädel (BDM) gepflegt (s. Dörr 1998).
II. Das dreistrophige Lied „Wir sind durch Deutschland gefahren“ ruft das Erlebnis gemeinsamer Wanderfahrten in Erinnerung. In topischen Bildern werden dabei die Ziele solcher Unternehmungen benannt: Meer und Gebirge, Flüsse und Wälder, alte deutsche Städte, in denen „das Geläut von den Glocken am Dome“, und einsame Regionen, wo nur „der Hirten Gesang“ zu vernehmen ist. Verbunden fühlt sich das kollektive „Wir“ des Liedes durch eine Sehnsucht nach der „Ferne“.
III. Größere Bekanntheit erreichte das Lied „Wir sind durch Deutschland gefahren“ nach dem Zweiten Weltkrieg. Ab 1945 wurde es in zahlreiche allgemeine Gebrauchsliederbücher sowie solche speziell für Jugendgruppen oder konfessionsgebundene Jugendorganisationen aufgenommen. Eine auf fünf Strophen erweiterte Fassung des Liedes erschien Ende der 1940er Jahre in einem Pfadfinderliederbuch (Edition B). Während in der hier hinzugekommenen Schlussstrophe bekräftigt wird, auch in Zukunft durch „deutsche Lande“ zu „fahren“, fasst man – wie sich im Liederbuch „Der Turm“ (Teil 4, 1955) zeigt – angesichts der seinerzeit zunehmenden Reisemöglichkeiten ebenso entferntere Ziele ins Auge: „Wir werden noch weiter fahren, um viele Lande zu sehn“ (Edition C). Hinreichend dürfte die Thematisierung unbeschränkten Reisens erklären, weshalb im Deutschen Volksliedarchiv Veröffentlichungsbelege des Liedes aus der DDR fehlen. Das Lied wird nicht durchgehend mit seiner ursprünglichen Melodie tradiert (s. Edition B). Eine von Richard Rudolf Klein neu komponierte Weise zu „Wir sind durch Deutschland gefahren“ findet sich ab 1960 in verschiedenen Liederbüchern des Fidula-Verlages (Boppard). Durch Einspielungen für Tonträger (Heino, Fischer-Chöre u. a.) nahm „Wir sind durch Deutschland gefahren“ ab den 1970er Jahren zunehmend den Charakter eines „volkstümlichen Evergreens“ an.
TOBIAS WIDMAIER
Quellenrecherche: JOHANNA ZIEMANN
(August 2012)
Weiterführende Literatur
- Margarete Dörr: „Wer die Zeit nicht miterlebt hat…“ Frauenerfahrungen im Zweiten Weltkrieg und in den Jahren danach, Bd. 3: Das Verhältnis zum Nationalsozialismus und zum Krieg. Frankfurt a. M., New York 1998, S. 201.
Quellenübersicht
- Ungedruckte Quellen: kaum Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
- Gedruckte Quellen: ab 1945 sehr häufig in Gebrauchsliederbüchern
- Bild-Quellen: —
- Tondokumente: häufig auf Tonträger
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.
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